Zum Stammzell-Urteil : Ist es ein Mensch, ein Embryo?
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Hundertfach vergrößert: Eizelle mit einer Injektionspipette, aufgenommen in der Leipziger Universitätsfrauenklinik Bild: dpa
Sammzellen mit embryonalen Eigenschaften können doch patentiert werden, sagt der EuGH. Entscheidend ist jetzt: Kann aus den Zellen ein Mensch werden? Biomediziner können jubeln.
Man kann den Europäischen Gerichtshof wirklich nicht beneiden. Immer wieder die Frage klären zu müssen, was ein menschlicher Embryo mit maximalem Würde- und Lebensschutz ist und was nicht, ist schon im europäischen Rahmen, aber erst recht weltweit ein bioethisches Minenfeld. Geworden, müsste man anfügen. Früher nämlich, bevor die Biowissenschaften damit angefangen haben, nach Belieben menschliche Zellkulturen mit embryonalen Eigenschaften in der Petrischale zu beackern, ja auch embryonale Zellen selbst zu benutzen, um damit die Voraussetzungen zu schaffen, neues Gewebe für Ersatzorgane zu erzeugen, war alles klar: Der Anfang des Menschseins beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Das Embryonenschutzgesetz trägt dem heute noch Rechnung. Das neue Urteil des EuGH zeigt jedoch, wie schwierig nun alles geworden ist.
Gute Karten für neue Stammzellen

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.
Ein „Organismus“, der sich nicht zu einem Menschen entwickeln kann, ist demnach kein Embryo mehr im Sinne der Patentrichtlinie. Das höchste britische Gericht hatte um diese Klärung gebeten, weil die International Stem Cell Corporation zwei Patente angemeldet hatte, die sich auf Stammzellen aus „aktivierten“ Eizellen stützen. Die Firma hatte gar keinen Embryo erzeugt. Weil sich die biochemisch aktivierten Eizellen im Labor aber munter teilen und einen Zellhaufen bilden, der auch die erwünschten Stammzellen liefert, hatte der Gerichtshof vor drei Jahren noch das Patent des Bonner Stammzellforschers Oliver Brüstle für nichtig erklärt - eben auch die jungfräulich, ohne Befruchtung gewonnenen Stammzellen.
Jetzt gilt: Was vom Patentschutz ausgeschlossen werden soll, muss analog zur guten alten Embryo-Regelung „zwingend die inhärente Fähigkeit haben, sich zu einem Menschen zu entwickeln“. Das öffnet der Biotechnik doch noch die Tore, die schon verschlossen schienen. Da die Richter nicht konkreter geworden sind, als es um die Definition dieser inhärenten Fähigkeit zur Menschwerdung ging, haben nun Stammzellinnovationen gute Karten. Und da gibt es viele. Die bioethische Mine ist ein veritables Rohstofflager. Denn grundsätzlich ist heute so gut wie jede Zelle programmierbar, wie ein Computer, recyclebar bis in den embryonalen Zustand. Im Labor werden aus Hautzellen Ei und Samen, wenn gewünscht, auch beides aus ein und demselben Menschen. Wo da Anfang und Ende liegen sollen, wird noch viele Gerichte beschäftigen. Endgültig geklärt ist da mal noch gar nichts.