Infektionen : Mehr Tuberkulose-Kranke in Deutschland
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Im Berliner Tuberkulose-Zentrum: Hier werden Flüchtlinge und Obdachlose vor der Aufnahme in eine öffentliche Unterkunft routinemäßig auf Tuberkulose untersucht. Bild: dpa
Das Robert Koch-Institut meldet steigende Tuberkulose-Fallzahlen. Die Mehrzahl der Patienten ist im Ausland geboren. Aber auch ältere Deutsche erkranken – offenbar Jahrzehnte, nachdem sie sich in der Kindheit angesteckt haben.
Die Zahl der an Tuberkulose Erkrankten steigt in Deutschland – das zeigt der neue „Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2014“ des Robert Koch-Instituts. Betroffen sind vor allem Menschen aus Ländern, in denen die Tuberkulose noch verbreiteter ist als hier. Insgesamt 4488 Tuberkulosefälle wurden im Jahr 2014 registriert, heißt es im Bericht des Berliner Instituts. Die Fallzahlen stiegen damit seit dem Vorjahr um knapp vier Prozent. Die Tuberkulose, die durch den Erreger Mycobacterium tuberculosis, ein Bakterium, ausgelöst wird und sowohl die Lunge („Lungenform“) als auch alle anderen Organsysteme und das Gehirn befallen kann, ist damit immer noch eine seltene Krankheit in Deutschland. Die Wissenschaftler sind allerdings alarmiert, weil nun ein Ende des langjährigen Abwärtstrends bei den Fallzahlen erreicht ist – so das klare Fazit des Berichts. Auch die vorläufigen Meldedaten für das laufende Jahr 2015 zeigen, dass die Fallzahlen weiter ansteigen.
Zunächst war die Zahl der diagnostizierten Tuberkulosekranken in den Nachkriegsjahrzehnten kontinuierlich rückläufig gewesen, nachdem Deutschland während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im europäischen Vergleich besonders hohe Tuberkuloseraten hatte. „Von den Jahren 2008 und 2009 an wurde dann ein Plateau erreicht“, sagt Walter Haas, Leiter des Fachgebiets für respiratorisch übertragbare Erkrankungen am RKI. Die Linie im Tuberkulose-Schaubild zeigte nicht weiter nach unten, sondern bog ab und bildete eine gerade Linie. „Und seit 2013 steigen die Fallzahlen sogar wieder.“ Der Abwärtstrend sei also schon vor den großen Flüchtlingsströmen in der jüngeren Vergangenheit zum Stillstand gekommen, so Haas. Der Wiederanstieg sei auch nicht nur durch die zunehmende Mobilität zu erklären. „Auch bei den Übertragungen im Land sehen wir keinen Rückgang mehr“, erklärt der Kinderarzt und Epidemiologe.
In der Kindheit infiziert
Um den Ursprung der Ansteckungen zu klären, erfassen die Wissenschaftler am RKI das Geburtsland, nicht allein die Staatsangehörigkeit. Die Häufigkeit der Krankheit ist bei Menschen mit ausländischen Wurzeln mehr als 13-mal so hoch wie in der deutschstämmigen Bevölkerung (33,6 beziehungsweise 2,5 Erkrankte pro 100.000 Einwohner). Der Anteil der im Ausland geborenen Patienten liegt in Deutschland inzwischen bei 62 Prozent. Zu den 2014 am häufigsten angegebenen Geburtsländern gehören Somalia, die Türkei und Rumänien. „Wer in einem Land aufwächst, in dem 100 oder 200 Tuberkulosefälle unter 100.000 Einwohnern die Regel sind, hat zeitlebens ein höheres Risiko, an Tuberkulose zu erkranken“, sagt Haas. Der Erreger kann unter Umständen Jahrzehnte im Körper überdauern, bevor die Krankheit ausbricht. Deshalb sind die deutschen Patienten im Mittel deutlich älter als aus dem Ausland stammende Erkrankte (59 beziehungsweise 32 Jahre). Viele der deutschen Betroffenen haben sich als Kinder infiziert, als die Krankheit auch hier noch verbreitet war. „Bei den Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sehen wir dagegen mehrere Gipfel hinsichtlich des Alters“, sagt Haas: Betroffen sind vor allem 20- bis 40-Jährige und die besonders empfindlichen Kinder; aber auch Personen über siebzig aus dem Ausland sind eine stark betroffene Gruppe.