Pandemie-Babys : Früher krabbeln, später winken
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Während des Lockdowns hatten viele Babys kaum Kontakte außerhalb der Kernfamilie. Bild: dpa
Die Kontaktbeschränkungen zu Beginn der Pandemie hatten laut einer neuen Studie auch Einfluss auf die Entwicklung von Neugeborenen – auf etwas zu zeigen oder jemandem zu winken fiel einigen schwer.
Um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen, schränkten Menschen weltweit ihr Sozialleben ein, viele Staaten verordneten Lockdowns und andere Kontaktbeschränkungen. Welchen Einfluss diese Maßnahmen auf Neugeborene hatte, haben nun Forscher von der University of Medicine and Health in Dublin untersucht. Dass es einen solchen Einfluss geben könnte, legen bisherige Studien nahe, denen gemäß sich ein reduziertes Sozialleben negativ auf die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten auswirkt und ein aktives soziales Umfeld die Sprachfähigkeit fördert.
Die frühkindliche Entwicklung wird anhand sogenannter Meilensteine evaluiert, welche sich grob in motorische, kognitive und emotionale Dimensionen einteilen lassen. Zehn von diesen Meilensteinen haben Susan Byrne und ihre Kollegen aus Dublin betrachtet. In einer Längsschnittstudie verglichen sie die neuropsychologische Entwicklung von 309 Neugeborenen, die im Zeitraum zwischen März 2020 und Mai 2020 in Dublin geboren wurden, mit einer Kontrollgruppe von zwischen 2008 und 2011 geborenen Kindern. Der Lockdown begann in Irland am 27. März 2020. Laut Angaben der Eltern hatten 25 Prozent der während der Pandemie geborenen Babys bis zu einem Alter von zwölf Monaten mit keinem anderen Neugeborenen im gleichen Alter Kontakt, und auch diese Familien selbst lebten in der Zeit isoliert: In der ersten Hälfte des Lockdowns trafen sie sich durchschnittlich mit maximal vier Personen, die nicht zur Familie gehörten.
Unterschiede bei vier Meilensteinen
Um die neuropsychologischen Entwicklungsschritte zu bewerten, wurde den Eltern ein Fragebogen gegeben, in dem sie angeben sollten, ob die Kinder im Alter von zwölf Monaten bestimmte Meilensteine „erreicht“ hatten oder nicht. Die im Fachmagazin „Archive of Disease in Childhood“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass sich die Kohorten in vier Meilensteinen leicht, aber signifikant unterschieden. 89 Prozent der zwischen 2008 und 2011 geborenen Babys konnten im Alter von zwölf Monaten bereits ein vollständiges Wort sagen, verglichen mit nur 77 Prozent der Neugeborenen aus der Corona-Gruppe. Außerdem waren nur 84 Prozent der im Frühjahr 2020 geborenen Babys in der Lage, mit einem Finger auf etwas zu zeigen, während dies in der Kontrollgruppe bereits 93 Prozent der Neugeborenen konnten. Auch zeigten sich signifikante Unterschiede bei der Fähigkeit, zur Verabschiedung zu winken. Dies hatten in der Kontrollgruppe bereits 94 Prozent gelernt, nun waren es mit 88 Prozent der Neugeborenen etwas weniger. Es gab jedoch auch ein positives Ergebnis für die Pandemie-Babys: Während bei der Kontrollgruppe 91 Prozent der Babys krabbeln konnten, waren es bei den im Frühjahr 2020 geborenen 97 Prozent.
Insgesamt schnitten Letztere also in drei von zehn Meilensteinen leicht, aber signifikant schlechter ab als Babys aus der Kontrollgruppe. Die Autoren führen diese Ergebnisse darauf zurück, dass durch die reduzierten Kontakte weniger kommunikative Gesten genutzt wurden und dadurch die Nachahmungs- und Lerneffekte schwächer ausfielen. Andererseits entwickeln Neugeborene die Zeigegesten, um auf Neues in ihrer Umgebung hinzuweisen. Bleibt man allerdings häufiger zu Hause oder ist nur eingeschränkt beweglich, ist es unwahrscheinlicher, dass auf neue Dinge gezeigt wird. Auch andere Studien weisen in diese Richtung und konnten zeigen, dass sich sowohl grob- und feinmotorische Fähigkeiten als auch mit sozialer Kommunikation verbundene Verhaltensweisen bei Neugeborenen verzögert entwickelten, die im Lockdown geboren wurden.