Verbreiteter Vitamin-D-Mangel : Vergiss nicht die Sonnenvitamine!
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Die meisten von uns tanken zu wenig Sonne. Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Ärzte und Wissenschaftler sind besorgt: Immer mehr Menschen haben zu wenig Vitamin D im Blut. Das zeigen neue Studien. Die Folgen können gravierend sein.
Vitamin D, am besten bekannt für seine knochenstärkende Wirkung, spielt unter anderem bei der Abwehr von Krankheitserregern eine bedeutsame Rolle. Wie das bei Sonneneinstrahlung in der Haut erzeugte Hormon - die Bezeichnung Vitamin ist eigentlich irreführend - dem Immunsystem genau den Rücken stärkt, lässt sich erst bruchstückhaft beantworten. Einen neuen Mosaikstein in dem noch unvollständigen Puzzle haben nun Wissenschaftler aus den Vereinigten Staaten, Deutschland und Südkorea gefunden. Demnach erteilen die sogenannten T-Lymphozyten, wichtige Immunzellen des spezifischen Abwehrsystems, dem Sonnenhormon bei einer Feindesattacke den Auftrag, die Produktion tödlicher Immunwaffen in Gang zu bringen. Das berichten die Studienautoren um den Dermatologen Mario Fabri von der University of California im Journal "Science Translational Medicine".
In der aktuellen Untersuchung sind die Forscher der Frage nachgegangen, welche "Mittelsmänner" die T-Lymphozyten einsetzen, um den Erreger der Tuberkulose, Mycobacterium tuberculosis, zur Strecke zu bringen. Besonderes Augenmerk richteten sie dabei auf ein von den T-Lymphozyten freigesetztes Signalmolekül namens Interferon-Gamma, das für den Vernichtungsschlag unerlässlich zu sein scheint. Jedenfalls sind Personen mit genetisch bedingtem Mangel oder Funktionsausfall dieses Botenstoffs außergewöhnlich anfällig für eine Tuberkulose. Rätselhaft war bislang gleichwohl, weshalb das von Interferon-Gamma vermittelte Alarmsignal nicht immer die erwünschte Wirkung zeigt. Mitunter können nämlich selbst hohe Konzentrationen dieses Signalmoleküls die für die Zerstörung des Feindes zuständigen Fresszellen nicht dazu bewegen, zum Angriff überzugehen.
Wie Fabri und seine Kollegen herausgefunden haben, nehmen die Mikroben vertilgenden Immunzellen den von Interferon-Gamma vermittelten Kampfaufruf nur wahr, wenn ihnen ausreichende Mengen an Vitamin D zur Verfügung stehen. Über eine Aktivierung einschlägiger Gene sorgt das Sonnenhormon dann dafür, dass die Waffenproduktion in den Fresszellen anläuft und die benötigten immunologischen Geschütze herstellt. Ist der Gehalt von Vitamin D im Blut hingegen zu gering, kommen die Invasoren ungeschoren davon. Dieselbe von Vitamin D betriebene Waffenschmiede nutzt im Übrigen auch das entwicklungsgeschichtlich alte, angeborene Immunsystem. Im Unterschied zu seinem spezifischen Geschwister geht dieses weniger zielgenau vor, kämpft dafür aber an vorderster Front. Beide Säulen des menschlichen Abwehrsystems - das spezifische und das angeborene - scheinen somit auf die tatkräftige Unterstützung des Sonnenhormons angewiesen zu sein.
Wenig verwundern kann es vor diesem Hintergrund, dass ein Mangel des Cholesterinabkömmlings Vitamin D mit einem erhöhten Risiko für Tuberkulose und andere Infektionen einhergeht. Nicht ohne Grund hätten sich die ehemaligen Tuberkulose-Kliniken in Gegenden mit hoher Sonneneinstrahlung befunden, schreibt Joan Lappe vom Zentrum für Osteoporoseforschung der Creighton University in Omaha im "Journal of Evidenced-Based Complementary & Alternative Medicine" (Bd. 16, S. 58). Schon damals habe man die immunstärkende Wirkung von Sonnenlicht erkannt. Beunruhigend sei daher auch, dass zunehmend mehr Menschen einen Vitamin-D-Mangel aufweisen. In Nordamerika betreffe dieser mittlerweile 65 bis 80 Prozent der Gesamtbevölkerung; bei den dunkelhäutigen US-Bewohnern liege der entsprechende Anteil noch höher, zumal das Sonnenlicht in stark pigmentierte Haut weniger gut eindringe.