Transfusionsmedizin : Kunstblut in unseren Adern
- -Aktualisiert am
Erythrozyten, die roten Blutkörperchen, sind für den Sauerstofftransport zuständig. Auf ihrer Oberfläche sitzen Strukturen, die darüber entscheiden, welche Blutspende für einen Empfänger geeignet ist. Und welche nicht. Bild: Science Photo Library/Getty Images
A, B, AB, Null sind vier wichtige Blutgruppen, aber längst nicht die einzigen. Das macht es mitunter schwer, im Notfall einen passenden Spender zu finden. Synthetischer Ersatz für die rote Flüssigkeit wird daher dringend gesucht.
Alfred Hitchcock fiel die Wahl eines adäquaten Blutersatzes noch recht leicht. In der berühmten Duschszene seines Meisterwerks „Psycho“ mischt sich Schokoladensirup ins Wasser und lässt wenig Zweifel am frühzeitigen Abgang der weiblichen Hauptfigur. Die braune Soße überzeugte alle, als der Thriller 1960 in die Kinos kam – Hitchcock hatte in Schwarzweiß gedreht. Mit dem Durchbruch des Farbfilms stiegen allerdings die Anforderungen. Heute wird Filmblut meist aus Gelatine, Glyzerin, Wasser und Lebensmittelfarben angerührt, ist in zahlreichen Rotschattierungen und jeder gewünschten Konsistenz erhältlich. Damit haben Filmausstatter guten Ersatz für echtes Blut gefunden, der bei Bedarf in beliebigen Mengen angekarrt werden kann. Davon können Transfusionsmediziner nur träumen, sie suchen nach wie vor eine künstliche Alternative für den besonderen Körpersaft.
Patienten mit akutem Blutmangel zu helfen, das gelingt seit der Entdeckung des AB0-Blutgruppensystems durch den österreichischen Arzt Karl Landsteiner im Jahr 1900 zuverlässig. Die Transfusion von Spenderblut gilt als einer der wichtigen medizinischen Durchbrüche im 20. Jahrhundert, sicherte Landsteiner einen Nobelpreis und rettet bis heute Jahr für Jahr unzähligen Menschen das Leben. In den Anfängen mussten Spender und Empfänger dafür direkt miteinander verbunden werden, da sonst die Gerinnung drohte. Inzwischen lässt sich diese durch den Zusatz von Natriumcitrat unterdrücken, Blutkonserven sind dadurch über viele Wochen lagerfähig. Das geschieht heute fast ausschließlich in Form von Erythrozytenkonzentrat, in dem die für den Sauerstofftransport verantwortlichen roten Blutkörperchen von den übrigen Blutbestandteilen – Immunzellen, Blutplättchen (Thrombozyten) und dem Blutplasma – getrennt vorliegen, welche wiederum für spezielle Transfusionen zu gebrauchen sind. Deshalb wäre künstliches Blut auch kein Ersatz für Blutspenden. „Aber es könnte uns helfen, Transfusionen für Menschen mit extrem seltenen Blutgruppenkonstellationen sicherer zu machen“, sagt der Dresdner Transfusionsmediziner Thorsten Tonn.
Um das zu verstehen, bedarf es eines Exkurses. Die Blutgruppen eines Menschen werden von Proteinen, Fetten und Zuckerresten auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen, der Erythrozyten, bestimmt. Davon gibt es viele Hunderte. Wichtig für die Transfusionsmedizin sind besonders jene Merkmale, die von Mensch zu Mensch in unterschiedlichen Varianten zu finden sind, erblich bedingt, im Fachjargon spricht man dabei von Antigenen. Wenn sich bei einer Blutspende nun verschiedene Typen mischen, kann es zu gefährlichen Abstoßungsreaktionen des Immunsystems kommen. Und diese gilt es zu vermeiden.