Lungenleiden : Nicht jeder Husten ist gleich Asthma
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Asthma: das beklemmende Gefühl, keine Luft zu bekommen Bild: Illustration F.A.S.
Pfeift der Atem, schlagen Eltern und Ärzte schnell Alarm. So werden viele Kinder zu chronisch Kranken erklärt, obwohl sie vielleicht nur eine Erkältung haben.
Flankenwechsel. Ein weiter Pass auf den rechten Flügel zur Nummer acht, Kevin. Der schlägt einen Haken um den Gegenspieler und schießt: Tor! Es ist der Ausgleich und das sechste Tor im sechsten Spiel für den Elfjährigen. Dass seine Mannschaft der D-Jugend momentan auf dem zweiten Tabellenplatz steht, ist auch ihm zu verdanken. Nur manchmal muss der Mittelstürmer eine Kunstpause einlegen, er stützt dann beide Arme auf die Oberschenkel und macht ein paar tiefe, pfeifende Atemzüge. Oder er rennt kurz vom Spielfeld und greift zum Spray: Asthma begleitet ihn seit seinem ersten Lebensjahr.
Manchmal bekomme er es in der Hitze des Gefechts nicht einmal richtig mit, erzählt Kevin (Name geändert), „wenn sich meine Lunge zusammenzieht“. Und müsse erst vom Trainer an den Rand gerufen werden. Asthma sei wie Zähneputzen, „es gehört halt dazu“. Heute ist es möglich, trotzdem Klassenbester im Sport zu sein, Kevin leidet nicht unter seiner Krankheit.
Früher war das Leben der Betroffenen ständig in Gefahr
Vor 35 Jahren sah das Leben der betroffenen Kinder meist anders aus: „Damals bin ich nachts auf Station voller Sorge um die Betten von Kindern mit schwerer Atemnot geschlichen“, erinnert sich Dietrich Berdel an seine Zeit an der Universitäts-Kinderklinik in Bonn. Ende der 1970er Jahre wurden Kinder mit schweren Asthmaattacken dort häufiger eingeliefert, mit ihrem Tode musste man realistischerweise rechnen.
Inzwischen lässt sich die Krankheit besser behandeln: „Heute können die meisten Asthmakranken ein ganz normales Leben führen“, sagt Berdel, der bis 2009 die Kinderklinik am Marien-Hospital zu Wesel leitete und die aktuelle Behandlungsleitlinie mitbestimmte. Zwar sterben jährlich noch immer mehr als 1000 Menschen in Deutschland an Asthma, aber seit 1970 ist die Zahl der Todesfälle um fast 90 Prozent gesunken.
Im gleichen Zeitraum ist allerdings die Zahl der betroffenen Kinder um das Drei- bis Vierfache gestiegen. Das liegt unter anderem daran, dass die Ärzte genauer hinschauen. Oft zu genau, wie kürzlich die britische Kinderärztin Louise Fleming vom Londoner Nationalen Herz- und Lungen-Institut in den Archives of Disease in Childhood kritisierte: „Asthma wird heute oft schon bei Symptomen diagnostiziert, die auch Zeichen einer völlig normalen Kindheit sein können.“ Also Husten, Bronchitis, ein Giemen und Pfeifen bei der Ausatmung und somit bei den falschen Kindern. Wer aber einmal das Label Asthma mit sich herumtrage, werde es häufig nicht mehr los, warnt Fleming, weil sich später oft niemand mehr die Mühe mache, die falsche Diagnose zu überprüfen. „Beim Asthma ist jegliche Proportion verlorengegangen“, klagt auch Kinderarzt Michael Seear von der Universität im kanadischen Vancouver. Zu dem kleinen Kern wirklich kranker Kinder geselle sich inzwischen die Übermacht der imaginären Asthmafälle, bei denen die Diagnose zumindest zweifelhaft sei.
Bis zur Einschulung verschwinden die Probleme bei den meisten von alleine
Tatsächlich können die Symptome, unter denen ein Asthmatiker leidet, durch völlig verschiedene Malaisen verursacht werden. So treten Schwierigkeiten, die eingeatmete Luft wieder loszuwerden, und pfeifende, keuchende Ausatem-Geräusche, das sogenannte Wheezing, ebenfalls auf, wenn zum Beispiel ein kleiner Gegenstand in die Luftröhre gelangt. Oder wenn eine Infektion zu einer Entzündung führt und die Atemwege verengt. Gerade bei Kleinkindern, denn ihre Bronchien sind sowieso noch eng. Deshalb sind bei jedem dritten Kind im Kindergartenalter immer wieder typische Wheezing-Geräusche zu hören; selbst Erkältungen können deshalb ein Infektasthma verursachen - und die plagen Kleinkinder recht häufig.