https://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/kunstlinsen-die-illusion-vom-jugendlichen-auge-1769393.html

Kunstlinsen : Die Illusion vom jugendlichen Auge

  • -Aktualisiert am

Bild: F.A.Z.

Gegen den grauen Star helfen nur Kunstlinsen. Es gibt monofokale mit nur einem und multifokale mit mehreren Brennpunkten. Welche sind besser?

          4 Min.

          Hinweise auf die eigene Vergänglichkeit kommen häufig überraschend. Wie bei mir mit dem grauen Star. Ich wusste noch nicht einmal genau, was das ist. War das nicht eine typische Krankheit älterer Menschen?

          Es begann mit Problemen beim Lesen. Ab und zu verschwamm das Bild - so als ob man bei einer Kamera das Objektiv verdrehen würde. Ich musste mich konzentrieren, um die Sicht wieder klar zu bekommen. Als die klaren Zeiträume kürzer wurden und das Lesen anstrengend, ging ich zur Augenärztin. Nach einigen Routineuntersuchungen stellte sie fest: "Sie haben grauen Star, aber nur links, und deshalb gucken Sie fast nur noch mit dem rechten Auge. Das wird irgendwann müde, und dann verschwimmt das Bild."

          "Grauer Star - werde ich jetzt blind, und das mit 35?", schoss es mir durch den Kopf. "Keine Sorge", sagte die Ärztin. "Das bekommt irgendwann so gut wie jeder, allerdings normalerweise später. Sie brauchen eine künstliche Linse. Dafür überweise ich Sie zur Uniklinik, aber lassen Sie sich keine Multifokallinse einsetzen, damit kommt nicht jeder zurecht, und die Kasse übernimmt die Kosten nicht!"

          Die „Brille im Auge“

          "Multifokallinse" - noch so ein fremder und dazu so ein erschreckend technischer Begriff. Und tatsächlich: Nach den Untersuchungen in der Uniklinik, die zum selben Ergebnis führten wie die der niedergelassenen Ärztin, stellte ein Assistenzarzt die Frage: "Haben Sie schon einmal über eine Multifokallinse nachgedacht?" Inzwischen wusste ich, dass für Multifokallinsen auch mit dem Slogan "Brille im Auge" geworben wird. Ähnlich wie mit Gleitsichtgläsern soll man damit sowohl in der Nähe als auch in der Ferne scharf sehen können. Das kann man mit einer einfachen Kunstlinse, einer monofokalen, nicht. Sie erzeugt nur einen Brennpunkt auf der Netzhaut, so dass man immer nur in einem bestimmten Entfernungsbereich scharf sehen kann und auf jeden Fall auch eine Brille braucht. Die Fähigkeit zur Akkomodation, also mit Hilfe des Ziliarmuskels die Linse krümmen und somit Motive in beliebiger Entfernung scharf stellen zu können, verliert man mit einer Kunstlinse auf jeden Fall.

          Ich folgte der Warnung meiner niedergelassenen Ärztin. Zugegeben, die Vorteile einer Multifokallinse erschienen verlockend, zumal einige Praxen mit rosaroten Bildern werben: Von "überlegener Sehqualität für nah und fern, bei Tag und Nacht" und einem "Sehvermögen, wie wir es aus jungen Jahren kennen", ist etwa auf der Website eines Kölner Unternehmens die Rede. Aber dem standen gewichtige Argumente entgegen: Rund 2500 Euro hätte ich als gesetzlich Versicherter bezahlen müssen. Die Krankenkassen übernehmen nicht einmal einen Teil der Kosten für Material und Operation - im Gegensatz zur Monofokallinse, die sie mitsamt der Operation bezahlen. Außerdem war der Assistenzarzt in der Uniklinik nicht gerade euphorisch, was die Multifokallinse betraf, also entschied ich mich wie die meisten Patienten dagegen. Aber sorgfältig ausgewogen war die Entscheidung nicht.

          700 000 Kunstlinsen jährlich

          Ähnlich wie mir im vergangenen Herbst geht es allein in Deutschland Tausenden Menschen pro Jahr, denn die Entfernung der sogenannten Katarakt zählt zu den häufigsten Operationen überhaupt. Nach Angaben des Bundesverbands Medizintechnologie werden in Deutschland jährlich rund 700 000 Kunstlinsen implantiert. Das entspricht 350000 bis 400000 Patienten, weil fast immer kurz hintereinander an beiden Augen operiert wird. Und fast immer wird auf diese Weise der graue Star, die Katarakt, therapiert - die Trübung der natürlichen Linse, deren Ursachen nicht völlig geklärt sind. Bekannt ist, dass die Trübung durch Veränderungen des Stoffwechsels hervorgerufen wird. Bekannt ist auch, dass mehr als 90 Prozent der über 65-Jährigen damit zu tun bekommen. Ebenfalls bekannt ist, dass die längerfristige Einnahme bestimmter Medikamente, zum Beispiel von Cortison, aber auch sehr hohe Dosen von UV-Licht die Entstehung des grauen Stars fördern. Warum allerdings ich als 35-Jähriger eine Katarakt hatte, ohne jemals längerfristig Cortison genommen oder sehr hohe Dosen UV-Licht abbekommen zu haben, konnte niemand erklären.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Der ukrainische Präsident Selenskyj hört einem Militärkommandanten bei seinem Besuch an der Front in der Region Donezk zu.

          Ukraine-Liveblog : Selenskyj: Gegenoffensive läuft

          Ukrainische Grenzbehörden: Schwarzes Meer wird zu „Müllhalde“ +++ London: Ukraine verzeichnet Fortschritte an der Front +++ Scholz will zu Putin weiterhin Kontakt halten +++ alle Entwicklungen im Liveblog
          In einer Demokratie leben, einen Autokraten wählen: Erdogan-Anhänger in Duisburg

          Kolumne „Import Export“ : Erdogan und seine deutschen Freunde

          Viele Deutsch-Türken haben Erdogan gewählt, deutsche Politiker von Scholz bis Schröder haben dem türkischen Staatspräsidenten zu seiner Wahl gratuliert, die mit einer fairen Abstimmung nichts zu tun hatte. Was ist da los?

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.