Krebstherapie : Krebszellen sterblich gemacht
- -Aktualisiert am
Eine altbekannte, in der Medizin bereits verschiedentlich verwendete Verbindung könnte sich nach Ansicht kanadischer Forscher zur Krebstherapie eignen. Allerdings liegen bislang keine Untersuchungen an Patienten vor, die diese Einschätzung untermauern. Bei der Verbindung handelt sich um Dichloracetat, eine billige und nahezu harmlose Substanz. Sie normalisiert offenbar den Zuckerstoffwechsel von Krebszellen und sensibilisiert sie dadurch für das natürliche Selbstmordprogramm, dem sie sich sonst entziehen. Das berichten jedenfalls Evangelos Michelakis und seinen Kollegen von der University of Alberta in Edmonton in der Zeitschrift „Cancer Cell“ (Bd. 11, S. 37).
Zucker kann mit und ohne Sauerstoff abgebaut werden. Beim Abbau mit Sauerstoff werden die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, einbezogen. Hierbei entsteht viel verwertbare Energie. Wird Zucker ohne Sauerstoff abgebaut, läuft der Prozess im Zytoplasma ab, endet bei der Milchsäure und liefert kaum Energie. Krebszellen greifen hauptsächlich auf den zweiten Weg zurück, obwohl ihnen meist genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Der deutsche Nobelpreisträger Otto Warburg hat diese Besonderheit bereits 1930 erkannt und als aerobe Glykolyse bezeichnet. Später erhielt sie den Namen Warburg-Effekt. Wegen der schlechten Energiebilanz benötigen Krebszellen mehr Zucker als andere Zellen, was man sich bei der Positronenemissionstomographie für diagnostische Zwecke zu Nutze macht.
Weniger aggressive Sauerstoffverbindungen
Bislang glaubte man, dass die Krebszellen den Zucker nur deshalb ohne Sauerstoff und mit schlechter Energiebilanz abbauen, weil ihre Mitochondrien defekt sind. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Wie Michelakis und seine Kollegen herausgefunden haben, ziehen die Krebszellen wichtige Vorteile aus dieser Besonderheit. Sie produzieren dadurch weniger aggressive Sauerstoffverbindungen und koppeln sich damit vom programmierten Zelltod ab. Das trägt zu ihrer „Unsterblichkeit“ bei. Dichloracetat bezieht die Mitochondrien wieder in die Energiegewinnung ein.
Es sorgt dafür, dass das beim Zuckerabbau im Zytoplasma frei werdende Pyruvat nicht zur Milchsäure weiteroxidiert wird, sondern in die Mitochondrien gelangt. Die Forscher haben beobachtet, dass Dichloracetat zumindest prinzipiell in der Lage sein könnte, das Wachstum von Krebszellen zu unterdrücken. Bei Tieren, denen die Substanz über Monate ins Trinkwasser gegeben wurde, entwickelte sich entweder überhaupt kein Krebs oder die Tumoren wuchsen nur langsam.
Substanz unterliegt keinem Patentschutz
Die Substanz verheißt nach Ansicht der Forscher einen Nutzen bei unterschiedlichen Arten von Krebs. Gerade was die Krebstherapie betrifft, werden freilich oft Hoffnungen geweckt, die sich später als Trugschluss entpuppen und die Patienten zusätzlich in Verzweiflung stürzen. Ob das beim Dichloracetat anders ist, können nur klinische Untersuchungen zeigen - und diese scheitern möglicherweise an einer ökonomischen Hürde: Die Substanz wird zwar schon seit Jahrzehnten bei seltenen Erkrankungen der Mitochondrien angewendet, aber sie unterliegt keinem Patentschutz.
Deshalb wird es nach Ansicht von Michelakis und seinen Kollegen schwer sein, einen Sponsor zu finden, der die hohen Kosten für die klinischen Studien übernimmt.