Klinische Forschung : Viele Studienergebnisse werden spät oder nie veröffentlicht
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Nicht nur bei Corona-Impfstoffen: Über klinische Studien werden Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln oder medizinischen Behandlungen untersucht. Bild: dpa
Ergebnisse klinischer Studien sind für eine gute medizinische Versorgung sehr wichtig, doch sie werden oft spät oder gar nicht veröffentlicht. Forscher der Charité präsentieren jetzt eine Übersicht für Deutschland.
Ist ein Medikament oder ein Eingriff besser als ein Placebo? Was ist die beste Therapie, welche Nebenwirkungen gibt es? Für die Medizin sind Studien hierzu unerlässlich – sie können es ermöglichen, Leben zu retten oder Krankheitsfolgen zu lindern. Klinische Studien sind oft sehr aufwendig, können mehrere Millionen Euro kosten, und sie erfolgen an Menschen als Probanden. Ethikstandards wie die Deklaration von Helsinki des Weltärztebunds sehen daher vor, dass die Ergebnisse veröffentlicht werden müssen. Auch sollen Studien vor Beginn registriert werden, sodass Angaben hierzu öffentlich sind – und Forscher, Kliniken und Firmen sie nicht einfach verschwinden lassen können. „Negative und nicht schlüssige Ergebnisse müssen ebenso wie positive veröffentlicht oder in anderer Form öffentlich verfügbar gemacht werden“, so die Deklaration – mit Angaben zu Finanzierungsquellen, institutionellen Verbindungen und Interessenkonflikten.
Transparenz der Intransparenz
Zuletzt wurde immer wieder berichtet, dass viele Ergebnisse gar nicht oder sehr spät veröffentlicht werden. Bei Arzneimittelstudien kann dies sogar gegen Gesetze verstoßen, in den USA sind Bußgelder von 10.000 Dollar pro Tag möglich. Ein Team des an der Charité angesiedelten Berlin Institute of Health (BIH) stellt nun im Fachmagazin „PLOS Medicine“ eine web-basierte Analyse mit Daten zu Studien vor, an denen 35 Unikliniken beteiligt sind – seit Dienstag ist sie auf quest-cttd.bihealth.org verfügbar. Hierbei berücksichtigt sind Studien, die zwischen 2009 und 2017 abgeschlossen wurden. „Die Universitäten wissen selber nicht, wie es bei ihnen über alle Studien hinweg aussieht“, sagt Daniel Strech vom BIH. Diese seien zunehmend sensibilisiert, nachdem sie merken mussten, dass sie selbst gesetzliche Pflichten manchmal nicht erfüllten; medizinische Firmen seien hier schon länger deutlich besser.
Wie die Forscher schreiben, steige die Transparenz über die untersuchten Jahre. „Wir haben nichts gefunden, wo es eine negative Entwicklung gibt“, sagt Strech. Die Unikliniken in Würzburg, Rostock und des Saarlands führen laut der Analyse in Bezug auf den Anteil publizierter Ergebnisse innerhalb von fünf Jahren nach Studienende. Auf hinteren Plätzen liegen jene in Dresden, Erlangen, Halle und Aachen, wo nur für rund 50 bis 60 Prozent der Studien Veröffentlichungen vorlagen. Ein Sprecher von Letzterer sagt, Fragen zur Transparenz seien berechtigt: Die Medizinfakultät ermutige alle Prüfärzte, Ergebnisse zu veröffentlichen, auch die Ethikkommission erinnere hieran. Teils benötigten Publikationen längere Zeit, manche Studien müssten abgebrochen werden, da sie nicht genug Probanden rekrutieren könnten. Laut der Universität Erlangen-Nürnberg seien Studienergebnisse teils später publiziert worden.
Es gebe das „Ziel einer Veröffentlichung“
Publikation sei ein wissenschaftliches und ethisches Gebot, erklärt ein Sprecher der TU Dresden. Alle 18 derzeit laufenden klinischen Prüfungen hätten das „Ziel einer Veröffentlichung“. Dies brauche Zeit. Viele Studien würden zunächst nicht angenommen, dann würden neue Publikationswege gesucht. Für Studien zu Medikamenten und Medizinprodukten, bei denen die Standards strenger sind, gebe es Arbeitsanweisungen etwa zur Erstellung von Berichten. Auch fordere die lokale Ethikkommission Forscher dazu auf, einen Ergebnisbericht vorzulegen.
Für Ärzte gehört die Einhaltung der Deklaration von Helsinki zum Berufsrecht – von verhängten Sanktionen habe er „noch nie gehört“, sagt Strech. Als Anreiz will sein Team automatisiert Zeugnisse für Studien erstellen, auf denen angegeben ist, welche Kriterien erfüllt werden. Er fordert außerdem, dass Ergebnisse über Open Access öffentlich gemacht werden. „Das sind Studien, die direkt beeinflussen, wie die Routineversorgung aussieht.“ Noch schlechter als bei klinischen Studien sehe es bei Beobachtungs- oder Tierstudien aus, bei denen es in der Regel keine Registrierungs- oder Veröffentlichungskultur gebe.