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Therapie bei Herzkrankheit : Kann ein Katheter-Eingriff die Medikamente ersetzen?

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Im Katheterlabor schiebt der Kardiologe über die Leiste einen Führungsdraht bis zum verengten Herzgefäß und weitet es. Bild: obs

Bei Brustenge werden Herzkranke allzu schnell mit dem Katheter behandelt – Medikamente sind jedoch auch wichtig. Das klingt banal, doch mit der Therapietreue hapert es bei vielen Patienten.

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          Eigentlich ist es selbstverständlich: Medikamente können nur wirken, wenn sie auch richtig angewandt werden. Die Therapietreue, im Fachjargon Adhärenz genannt, lässt indes häufig zu wünschen übrig. Besonders unzulänglich ist sie tendenziell, wenn der gesundheitliche Nutzen der Arzneimittel nicht sofort zutage tritt, sondern erst mittel- bis langfristig. So erzeugen etwa hoher Blutdruck und erhöhte Cholesterinwerte keinen unmittelbaren Leidensdruck, führen aber auf Dauer zu atherosklerotischen Gefäßschäden und deren Folgen, darunter Herzinfarkten und Schlaganfällen. Verringern lässt sich diese Gefahr einerseits durch eine Umstellung des Lebensstils, besonders bezüglich der Ernährung, und andererseits mit Medikamenten, die das Herz entlasten und Gefäßverschlüssen vorbeugen. Je ausgeprägter dabei die atherosklerotischen Gefäßschäden sind und je größer folglich das Infarktrisiko ist, desto mehr profitieren die Betroffenen von einer solchen Behandlung. Auch bei schwer Betroffenen gibt es gleichwohl etliche Personen, um deren Therapietreue es nicht zum Besten steht. Das gilt selbst für die Teilnehmer von wissenschaftlichen Studien – also für Patienten, die in der Regel besonders engmaschig betreut werden. Was schon häufiger beobachtet wurde, geht nun auch aus einer internationalen Untersuchung hervor.

          Mitgewirkt am „Ischemia“-Versuch hatten knapp 4500 Männer und Frauen mit atherosklerotisch bedingten Durchblutungsstörungen des Herzmuskels. Viele Patienten litten bereits an Brustenge bei Belastung, einer Angina Pectoris. Hierzu kommt es, wenn der Herzmuskel bei erhöhter Anstrengung spürbar „nach Luft schnappt“, weil seine Gefäße bereits atherosklerotisch verengt sind. Was die Therapie betrifft, waren alle Versuchsteilnehmer mit den gängigen Medikamenten zum Schutz vor Herzinfarkten und zur Linderung der Angina Pectoris versorgt worden. Diese Liste umfasst Cholesterinsenker, Mittel gegen Thrombosen und, je nach Bedarf, Medikamente gegen hohen Blutdruck. Bei einer Hälfte der Probanden, ausgewählt nach dem Zufallsprinzip, hatten die Studienärzte darüber hinaus eine Herzgefäßbehandlung, eine koronare Revaskularisation, vorgenommen.

          Die verengten Herzkranzarterien hatten sie dabei entweder mit dem Katheter aufgedehnt oder mit einem anderweitig entnommenen Gefäß überbrückt (Bypassoperation). Eine vorausgegangene Analyse der Studiendaten von „Ischemia“ hatte ergeben, dass Patienten mit Brustenge von einer koronaren Revaskularisation profitieren. Die Sterblichkeit und das Infarktrisiko der Betroffenen nahmen zwar nicht ab, wohl aber die Häufigkeit und Schwere ihrer Angina-Pectoris-Attacken. In der aktuellen Untersuchung ging es nun um die Frage, ob die koronare Revaskularisation eine unzureichende Therapietreue abfedern kann.

          Was nützen Arzneien, die nicht genommen werden?

          Wie die Studienautoren um Angel Garcia und John Spertus vom Mid America Heart Institute in Kansas City/Missouri im „Journal of the American College of Cardiology“ schreiben, wandten knapp 30 Prozent der Patienten beider Behandlungsgruppen die verordneten Medikamente nicht regelmäßig an. Weitere Analysen ergaben, dass diese Probanden durchweg weniger belastbar waren und mehr Angina-Beschwerden verspürten als jene, die sich an die Behandlungsanweisungen gehalten hatten; auch nahm die Brustenge der Patienten mit mangelnder Therapietreue im Verlauf eines Jahres vergleichsweise weniger stark ab. Anders als von den Studienautoren vermutet konnte die koronare Revaskularisation den gesundheitlichen Rückstand dieser Gruppe aber nicht verringern. Es gelang also nicht, die ungünstigen Folgen einer unregelmäßigen Tabletteneinnahme auszugleichen.

          In einem begleitenden Editorial weisen der Kardiologe Usman Baber von der University of Oklahoma in Oklahoma City und weitere Ärzte darauf hin, dass der Erfolg der medikamentösen Therapie nicht allein von der Kooperation der Patienten abhängt, sondern auch vom Vorgehen der Ärzte. Wie sie zugleich bemängeln, besteht in der Kardiologie die Tendenz, zu früh zum Katheter zu greifen. So zeigten Untersuchungen in Amerika, dass lediglich ein Drittel aller Patienten, die sich einer nicht notfallmäßigen Aufweitung verengter Herzgefäße unterziehen, zuvor hinreichend medikamentös behandelt wurde. Wie Hans-Reiner Figulla, emeritierter Kardiologe des Universitätsklinikums in Jena, auf Anfrage erklärt, ist die Situation in Deutschland vergleichbar. „Hierzulande werden Gefäßbehandlungen mit dem Katheter häufig auch bei Patienten mit milder Angina Pectoris vorgenommen, ja selbst bei Personen, die hin und wieder ein Zwicken in der Brustgegend verspüren“, sagt der Kardiologe.

          Entdecke der Arzt bei der Untersuchung der Herzkranzarterien mit einem Katheter einen Engpass, sei die Versuchung groß, das verengte Gefäß noch in derselben Sitzung aufzudehnen und mit einem Stent zu versehen, erklärt Figulla diesen Missstand. Wie er hinzufügt, sind die Patienten hiermit meist einverstanden. Denn es sei ihnen leicht zu vermitteln, dass ein verengtes Blutgefäß im Herzen eine Gefahr darstellen könnte und daher behandelt werden sollte. Kathetertherapien seien indes nur unter zwei Umständen von Nutzen, wie etliche wissenschaftliche Studien zeigten. So könnten sie eine starke Brustenge oft umgehend bessern und die Sterblichkeit von Patienten mit akutem Herzinfarkt nachhaltig reduzieren.

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