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Helicobacter pylori : Dieser Keim macht nicht nur krank

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Blaser schaute genauer nach und stellte fest, dass die Abwesenheit des Magenkeims auch mit einem erhöhten Risiko für Speiseröhrenkrebs verbunden war. „Das sei wahrscheinlich ebenfalls eine Folge der vermehrten Säure im Magen“, sagt er. „Möglicherweise sind hier aber auch noch andere Mechanismen mit im Spiel.“ Denn Helicobacter beeinflusst gleichzeitig die Konzentration von wichtigen, in der Magenschleimhaut gebildeten Hormonen. Mit dem Peptid Ghrelin beispielsweise signalisiert der Magen dem Gehirn: „Ich bin hungrig, füttere mich.“ Nach einer Mahlzeit nimmt dieses Signal normalerweise wieder ab. Doch nach einer Eradikationstherapie ist das anders. Liegt hier die Ursache für die beobachtete Adipositas? „Um das zu sagen, ist das Problem zu komplex“, sagt Blaser. „Aber es sollte uns nachdenklich machen.“

Lange haben sich Mensch und Helicobacter gut vertragen

Herumgesprochen hat sich diese Botschaft allerdings nur bedingt. Im besonders vom Magenkrebs betroffenen Japan entschloss man sich vor drei Jahren sogar, Helicobacter vollständig auszurotten. Dabei hatten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie vor neun Jahren in „Nature“ berichtet, dass sich Mensch und Bakterium schon seit Jahrtausenden gut vertragen. Anhand des Genoms von mehr als fünfhundert Helicobacter-Stämmen aus aller Welt rekonstruierten sie, dass der Homo sapiens den Keim bereits vor rund 58.000 Jahren in Afrika mit sich herumgetragen und ihn von dort über den gesamten Globus verbreitet hatte.

Einen noch handfesteren Beleg für die lange Partnerschaft lieferte schließlich der Magdeburger Peter Malfertheiner. Er endoskopierte die etwa 5300 Jahre alte Mumie des Gletschermanns Ötzi, der vor 25 Jahren in den Ötztaler Alpen entdeckt worden war. Die verdächtigen Magenbakterien selbst, so erzählt er, habe er dort zwischen den Resten eines verzehrten Steinbocks zwar nicht gefunden. Dafür stieß er in dem ledrigen Beutel, zu dem das Organ zusammengeschrumpft war, auf Anzeichen einer Magenschädigung. In den entnommenen Gewebeproben entdeckte man schließlich Erbgutstücke des Keims. Kann ein Organismus, mit dem der Mensch schon so lange und so eng zusammenlebt, tatsächlich nur schädlich für ihn sein? Nein, meint Anne Müller, Forschungsgruppenleiterin am Institut für Molekulare Krebsforschung der Universität Zürich. „In evolutionärer Hinsicht ist die Besiedlung mit Helicobacter für uns sicherlich kein Nachteil.“ Auch Wale, Affen und alle anderen untersuchten Säugetiere tragen Helicobacter-Stämme mit sich herum, ohne dass sie ihnen Schwierigkeiten bereiten würden.

Einige spüren ihr Leben lang nichts von ihrem Keim

In ihrem Labor beschäftigt sich die Züricher Immunbiologin mit einer segensreichen Wirkung des Keims: Während normale Mäuse nach dem intensiven Kontakt mit Hausmilben- oder Hühnereiextrakt stets ein Atemwegsleiden entwickeln, sind helicobacterpositive Nager resistent dagegen. Ähnliches lässt sich auch beim Menschen beobachten: Wer den Keim im Magen trägt, hat laut Statistik ebenfalls seltener mit allergischem Asthma zu kämpfen. In den Mägen der Mäuse fand sich schließlich eine potentielle Erklärung für dieses Phänomen. In Anwesenheit des Helicobacter tummelten sich dort besonders viele und besonders aktive regulatorische T-Zellen. Diese T-Lymphozyten sind auch an anderen Stellen des Körpers dafür zuständig, ein überschießendes Immunsystem zu bremsen und Autoimmunkrankheiten zu verhindern. Vom Magen aus, so glaubt Anne Müller, könnten sie auch allergische Reaktionen in der Lunge beeinflussen und so die Entstehung von Asthma verhindern.

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