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Ungeimpfte behalten Nachteil : Neue Runde im Ringen um den Genesenenstatus

EU-Genesenenzertifikat Bild: dpa

Das Robert-Koch-Institut präzisiert die Genesenen-Regeln, und die Gesellschaft für Virologie möchte deutschlandweit eine „pragmatische Lösung“: Drei Kontakte mit dem Virusprotein sind notwendig.

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          Um den Genesenenstatus von ehemals positiv getesteten Corona-Infizierten gibt es neue Diskussionen. Nachdem das Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Homepage klargestellt hat, dass die Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate ausschließlich für Ungeimpfte gilt, nicht aber für vollständig Geimpfte, die vor oder nach der Impfung eine Infektion durchgemacht haben, hagelte es wieder heftige Attacken in den sozialen Medien. Kritiker der Regelung sehen darin eine unfaire Behandlung von ehemals infizierten Personen, die sich nicht impfen lassen möchten.

          Joachim Müller-Jung
          Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Die wissenschaftliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Genesenen wurde vom RKI in der „Fachlichen Vorgabe für Covid-19-Genesenennachweise“ deutlich erweitert. Darin wird deutlich, warum die Präzisierung des Genesenenstatus aufgrund neuer Immunitätsstudien notwendig geworden ist. Tatsächlich hat sich in Studien gezeigt, dass einfach Infizierte (ohne Impfung) insbesondere in der Omikronwelle nur wenige Wochen bis Monate über einen effektiven Infektionsschutz verfügen – und je nach Alter und Vorerkrankungen keinen anhaltenden Schutz vor anderen, bekannten Virusvarianten.

          Auch die Deutsche Gesellschaft für Virologie hat sich am Montag in einer aktuellen Stellungnahme zur Immunität von Genesenen geäußert. Darin wird ebenfalls deutlich, wie komplex die Bewertung des Immunitätsstatus von Covid-19-Genesenen insbesondere in der Omikron-Welle zu bewerten ist. Die Omikron-Variante mit ihren zahlreichen Mutationen ist in der Lage, Geimpfte und Genesene grundsätzlich leichter wieder zu infizieren.

          Die Gesellschaft für Virologie fordert deshalb „deutschlandweit eine pragmatische Regelung anzuwenden“. Als immun sollte demnach nur gelten, wer mindestens drei Antigenkontakte nachweisen kann (Fristen und Gültigkeitsdauer von Immunitätszertifikaten werden nicht erwähnt). Drei Antigenkontakte, das bedeutet zum Beispiel: zweimal geimpft plus Booster oder zweimal geimpft und einmal von einer Infektion genesen. Damit stellt der Vorstand der Gesellschaft für Virologie klar, dass eine Person nur dann als immun gelten – und eine Impfung vollständig sein – kann, wenn die Körperabwehr mindestens dreifach zur Bildung von Antikörpern und Immunzellen angeregt worden ist.

          Booster oder Infektion

          Wesentlich gestützt wird diese Drei-Kontakte-Forderung durch Untersuchungen, die Ulrike Protzer von der TU München und des Helmholtz Zentrums München jüngst im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht haben. Um eine hochwertige und länger anhaltende Immunität aufzubauen, braucht die Abwehr mindestens dreimal den Kontakt mit den Oberflächenproteinen des Virus – gleich, ob durch Impfung oder nach Infektion. Zwischen zwei Virus-Antigenkontakten muss allerdings nach dem Dafürhalten der Virologen auch ein Zeitabstand von mehreren Wochen liegen. Zwei nachgewiesene Infektionen kurz hintereinander oder eine Impfung unmittelbar vor oder nach der Infektion steigern die gewünschte Immunantwort nicht.

          Nach den von RKI, der Ständigen Impfkommission und dem Paul-Ehrlich-Institut angegebenen Kriterien gilt derzeit als grundimmunisiert oder „vollständig geimpft“, wer zum Beispiel mindestens zwei Impfdosen eines mRNA-Impstoffs erhalten hat oder wer mindestens eine Impfdosis erhalten und sich infiziert hat (mit dem entsprechenden PCR-Nachweis, der mindestens 28 Tage zurückliegen muss und nicht älter als drei Monate sein darf). Mit der Virologen-Stellungnahme wird nochmal deutlich, dass ein Booster – ob als dritte Impfdosis oder als Infektion – immer nötig ist, um einen wirksamen Immun- und einen längerfristigen Infektionsschutz aufzubauen.

          Trotz der Verkürzung des Genesenenstatus' für Ungeimpfte behalten die in Apotheken ausgestellten digitalen Genesenen-Zertifikate – unabhängig vom Impfstatus der Betroffenen – eine Gültigkeit von sechs Monaten. Das liegt daran, dass die digitalen Genesenen-Nachweise ein EU-Zertifikat sind, und europaweit generell eine sechsmonatige Gültigkeit festgelegt wurde. Innerhalb Deutschlands müsste bei Vorlage des Genesenen-Zertifikats zusätzlich geprüft werden, ob der Genese auch geimpft ist.

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