Ebola : Nach der Seuche ist vor der Seuche
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Liberia atmet auf. Die Nachbarländer Guinea und Sierra Leone sind noch nicht so weit. Bild: dpa
Aus Westafrika werden nur noch wenige neue Fälle von Ebola gemeldet. Das heißt nicht, dass die Sache ausgestanden ist.
In Liberia herrscht Partystimmung. Seit mehr als 42 Tagen ist hier niemand mehr an der Seuche erkrankt, das Land gilt offiziell als „ebolafrei“. Am kommenden Wochenende wird deshalb ein großes Konzert am Strand veranstaltet. Die Bevölkerung kann nun erstmals wieder feiern. Und dabei der fast 4800 Liberianer gedenken, die dem Virus zum Opfer fielen.
Welche Lehren lassen sich aus dieser verheerenden Epidemie ziehen? Darüber beraten jetzt die internationalen Hilfsorganisationen und Regierungen. Zu der exponentiellen Ausbreitung des Erregers haben unter anderem Fehler der Behörden beigetragen. So wurden die ersten Fälle nicht richtig diagnostiziert; zahlreiche Gerüchte kursierten, die Menschen misstrauten der Regierung und dem medizinischen Personal, Familien versteckten ihre Kranken. Die ohnehin schwach aufgestellten Gesundheitssysteme in Westafrika brachen zusammen.
Heftige Kritik muss aber auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einstecken. Sie hatte erst nach Monaten auf die Alarmsignale reagiert und das Geschehen in Westafrika im August 2014 zum „Public Health Emergency of International Concern“ erklärt. Dass hier Strukturreformen nötig sind, um in ähnlichen Situationen künftig besser agieren zu können, stellte ein UN-Ausschuss kürzlich in einem Zwischenbericht klar. Offenbar soll die Zuständigkeit keiner anderen UN-Behörde zufallen, die Mitgliedstaaten werden die WHO stärker finanziell unterstützen müssen, damit sie ihrer Führungsrolle gerecht werden kann. Über die Frage, welche Veränderungen dann konkret anstehen, wird die World Health Assembly von Montag an in Genf diskutieren.
Aufbau einer Weißhelmtruppe?
In Deutschland und auf europäischer Ebene wird währenddessen überlegt, wie eine Lösung aussehen könnte, um in zukünftigen Gesundheitskrisen schneller Personal zu mobilisieren. Von dem militärisch geprägten Begriff einer sogenannten Weißhelmtruppe rückte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, zwar ab. Schließlich wären bei Ebola nicht Helme zu tragen, was zudem missverstanden werden könnte, sondern Schutzmasken, erklärte er anlässlich einer Konferenz der „Ärzte ohne Grenzen“ in Berlin. Wie auch immer man die medizinische Einsatztruppe nennen wolle – Lindner hält es in jedem Fall für sinnvoll, eine Datenbank aufzubauen, die alle verfügbaren Kräfte der unterschiedlichen Netzwerke und Hilfsorganisationen bündelt. Es gehe darum, Personal, Material und Finanzen europaweit zu koordinieren: „Es wird wohl kaum einen nationalen Alleingang geben.“ Außerdem müssten sich jetzt die Geberländer absprechen. Wer soll sich um die Entwicklung lokaler Gesundheitssysteme in den drei stark betroffenen Ländern kümmern? Und wer um andere Sektoren? Es gebe dort noch zahlreiche Probleme zu lösen, sagt Lindner, zum Beispiel bei der Stromversorgung oder anderen Infrastrukturen. Dass Ebola auf der Agenda des G-7-Treffens in Schloss Elmau steht, wertet Lindner als Zeichen, dass die globale Bedeutung eines Themas endlich erkannt wird.
Für eine generelle Entwarnung ist es nach wie vor zu früh. Das Virus könnte schon bald erneut über die Landesgrenzen nach Liberia getragen werden. In den Nachbarstaaten Guinea und Sierra Leone ist die Ansteckungsgefahr noch nicht vorbei, wenn auch deutlich gesunken: In der ersten Maiwoche waren es weniger als zehn Infizierte.
Bisher registrierte die WHO insgesamt mehr als 26700 Erkrankte, von denen mindestens 11000 starben. Rund 868 der medizinischen Betreuer haben sich infiziert. Durch sie kam auch Europa direkt mit Ebola in Berührung. Wahrscheinlich waren es erst die importierten Fälle, die das Interesse der Öffentlichkeit auf die exotische Seuche lenkten.