Biobanken : Auf diese Revolution haben wir gewartet
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Proberöhrchen einer Biobank Bild: REUTERS
Die Krebsmedizin ist soweit: Reihenweise werden Genome in den Kliniken entschlüsselt. In Biobanken blüht die biologische Vorratsdatenspeicherung. Doch wer regelt das alles?
„Wir müssen dringend ein Verständnis von Sicherheit schaffen.“ Das ist der Satz, den der Direktor am Nationalen Centrum für Tumorerkrankrankungen (NCT) in Heidelberg, Christof von Kalle, gleich nach einer geradezu wegweisenden Ankündigung für die Krebsmedizin fallen ließ. „In ein bis zwei Jahren sind wir soweit, die kompletten Genome von 500 Patienten im Jahr für unsere Therapieentscheidungen sequenzieren zu können. In fünf Jahren werden wir es allen Tumorpatienten anbieten.“ Das wären dann deutlich mehr als fünftausend Patienten im Jahr. Ihr individuelles Genom, quasi nackt und entschlüsselt bis auf wenige Details, werden zur Planungsgrundlage für die Ärzte. Wie ist das möglich? Hören wir nicht immer wieder, wie wenig die Entzifferung der ersten Humangenome vor bald zehn Jahren die Medizin bislang vorangebracht habe?
Die Krebsmedizin zeigt: Es gibt ihn, den guten, ja gewaltigen Fortschritt, doch wie schnell er sich vom Labor an die Klinikbetten – „from bench to bedside“ – vorarbeitet, wann vor allem die Patienten in großer Zahl einen Nutzen davon haben und wann letzten Endes das Gesundheitssystem ökonomisch davon profitiert, das zeichnet sich erst in Umrissen ab. Auch von Kalle bemüht sich, nüchtern zu bleiben: „Wir stehen immer noch am Anfang mit der diagnostikgesteuerte Tumortherapie.“ Tatsache ist: Die Chemiekosten für eine Genomentzifferung sind inzwischen auf fünf- bis zehntausend Euro gesunken, und sie fallen weiter dramatisch. Die Sequenzierautomaten der nächsten Generation stehen praktisch schon vor der Tür (siehe Gespräch mit Francis Collins: Ein ganzes Genom in zwei Stunden entschlüsseln? Klar, geht das! ). Und damit auch die Herausforderungen an das Datenmanagement und die Sicherheit, die von Kalle Kopfzerbrechen bereitet.
Datenschutzkonzept für die Onkologie
Welche gewaltigen Datenmengen auflaufen, lässt sich am Deutschen Krebsforschungszentrum neben dem NCT ablesen. Dort werden für das Internationale Krebsgenom-Konsortium seit einiger Zeit beispielhaft die Genome von Patienten mit kindlichem Hirntumor und von solchen mit malignem Lymphom dekodiert. Insgesamt stehen am DKFZ 1200 Genome auf dem Plan. Seitdem man mit der Entschlüsselung begonnen hat, werden von einigen wenigen Wissenschaftlern alle zwei bis drei Wochen gut 50 Terabyte an Daten generiert – so viel wie das DKFZ mit seinen zweitausend Mitarbeitern vor dem Projekt über die gesamten Jahre an Speichervolumen aufgebaut hatte.
In Heidelberg arbeitet das Nationale Tumorzentrum inzwischen mit Humangenetikern der Universität an einem Datenschutzkonzept für die Onkologie. Die Krebspatienten sollen die Gewissheit haben, dass ihre persönlichen Daten nicht in falsche Hände geraten. Möglich, so von Kalle, dass man das Genom der Krebszellen und das intakte Genom von anderen Körperzellen des Patienten von vorneherein gegeneinander „verrechnet“ – dass man so die für die Entartung und Therapieplanung relevanten Gensequenzen herausfiltert und den Rest verschlüsselt unter Verschluss hält. Doch wie lange und wofür – bis der Patient als „geheilt“ gilt, bis zum Tod?
Votum des Deutschen Ethikrats
Niemand kann heute sagen, welche wertvollen Informationen für die – möglicherweise auch spätere – Behandlung in der Patientendatei schlummern. Und welche für die Forschung nützlichen Daten. Biomedizinern wie von Kalle ist bewusst, dass es sich um sensisibles Sammlungsmaterial handelt, machen aber auch keinen Hehl daraus, dass sie sich genau davon nützliche bis bahnbrechenden Erkenntnisse versprechen und möglichst ungehindert herausfischen möchten. Der Bedarf speziell im bislang oft aussichtslosen Kampf gegen die genetische Krankheit Krebs ist dabei besonders groß. Sie ist auch einer der großen Treiber für den Boom der Biobanken, die in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen haben. Nicht nur die Menge, sondern auch die internationale Vernetzung der Daten aus solchen Probenbanken nimmt rasant zu. Der Deutsche Ethikrat hat sich deshalb in einem Mehrheitsvotum vor einigen Monaten grundsätzlich für ein neues Gesetz ausgesprochen, das die Kontrolle und Qualitätssicherung von tausenden Biobanken hierzulande sicherstellen soll.