Augenheilkunde : Scharfe Aussichten
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Bild eines normalen Augenhintergrunds, links die Einmündung des Sehnerves Bild: Universitäts-Augenklinik Tübingen
Diabetiker müssen um ihr Augenlicht fürchten. Bislang half nur der Laser. Jetzt aber sind neue Medikamente im Test und demnächst können Ärzte wohl unter dreien von ihnen wählen.
Gestern Abend war der Nachrichtensprecher noch zu erkennen und auch die Wetterkarte, heute ist er ebenso verschwunden wie das Bild im Hintergrund und eigentlich der ganze Fernsehapparat. An seiner Stelle befindet sich eine milchig trübe Wolke, die der Blickrichtung folgt und jedes scharfe Sehen unmöglich macht. Lesen, Computerarbeit, Fernsehen und natürlich Autofahren: Von einem Tag auf den anderen ist das alles passé.
Diabetiker mögen Komplikationen ihrer Stoffwechselstörung gewohnt sein, aber ein solches „diabetisches Makulaödem“ (DME) ist mit seinem plötzlichem Auftreten ein Schock auch für jene, die glauben, ihre Zuckerkrankheit im Griff zu haben. Mit einer neuen Therapie, die in diesem Jahr in Deutschland zugelassen werden soll, hoffen Augenärzte, das Sehvermögen der Betroffenen wieder deutlich verbessern zu können.
Laserbehandlung der Leckagen
Die typische Augenveränderung beim Diabetes, die sogenannte diabetische Retinopathie mit ihren pathologischen Ablagerungen in der Netzhaut, verläuft relativ langsam. Das gilt auch für die fortgeschrittene Form mit ihren Neubildungen von Blutgefäßen am Augenhintergrund. Dagegen ist das Makulaödem, bei dem sich Flüssigkeit an der Stelle des schärfsten Sehens in der Netzhautmitte bildet und die feinen Zellschichten dieser wertvollsten Quadratmillimeter des Auges auseinander drängt, ein erschreckendes, akutes Ereignis. Das Sehvermögen, das gerade eben noch 1,0 (entspricht 100 Prozent) betragen haben kann, nimmt drastisch ab. Manchmal sinkt es auf 10 Prozent, manchmal auf noch weniger. Auf Retinopathie und Makulaödem folgen tragische Konsequenzen: Pro Jahr erblinden in Deutschland rund 40 000 Diabetiker – unter Zuckerkranken ist die Erblindungsrate ungefähr 25-mal so hoch wie unter Nicht-Diabetikern.
Die Behandlung des DME – oder eher: der Versuch einer solchen – besteht traditionell in einer sorgfältigen Laserbehandlung der Leckagen, der Bruchstellen von Blutgefäßen, aus denen die Flüssigkeit austritt. Doch vielen Ophthalmologen ist beim Gedanken an einen solchen Eingriff in diesem hochsensiblen Bereich alles andere als wohl: „Beim Lasern“, sagt Frank Holz, Direktor der Universitätsaugenklinik Bonn, „wird Netzhautgewebe irreversibel zerstört. Wir wollen aber eigentlich Gewebe erhalten und möglichst heilen.“
Aus diesem Grund wird jetzt ein Auslöser des Makulaödems ins Visier genommen, der auch bei einer anderen häufigen Augenerkrankung eine wichtige Rolle spielt und bei dieser inzwischen behandelt werden kann: Der Botenstoff VEGF (vascular endothelial growth factor) ist als Wachstumsfaktor für die Gefäßneubildungen verantwortlich, die vielen älteren Patienten das Sehvermögen rauben, die an der als „feucht“ bekannten exsudativen Form der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) leiden.
Stand der klinischen Studien
Seit knapp vier Jahren stehen Medikamente zur Verfügung, die VEGF biochemisch blockieren und damit das Einsprießen neuer, störender Blutgefäße in die Netzhaut verhindern. Damit stoppen sie einen Prozess, der die Grundlage der feuchten AMD und zu großen Teilen auch des diabetischen Makulaödems ist. Nachdem diese Anti-VEGF-Wirkstoffe bei zahlreichen Patienten mit feuchter AMD nicht nur den Verfall des Sehvermögens gestoppt haben, sondern häufig sogar das Sehen wieder verbessern konnten, befinden sich zwei dieser Wirkstoffe jetzt in der klinischen Erprobung gegen DME. Die Anwendung ist allerdings nicht ganz einfach: Das Medikament wird unter lokaler Betäubung in den Glaskörper des Auges gespritzt. Und diese Prozedur macht die sterilen Verhältnisse eines Operationssaales erforderlich.