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Aids bei Affen : Kunststück Koexistenz

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Der Schimpanse: Enger Verwandter des Menschen

Der Schimpanse: Enger Verwandter des Menschen Bild: dpa/dpaweb

Warum erkranken viele Affen nicht an HIV-ähnlichen Viren, die beim Menschen Aids auslösen? Neue Details über das Immunsystem der Tiere liefern Hinweise.

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          Einige Affen tolerieren eine Infektion mit HIV-ähnlichen Viren, ohne jemals an Aids zu erkranken. Den Tieren gelingt also die friedliche Koexistenz - und da sich HIV aus den SI-Viren der Affen entwickelt hat, glauben Ann Chahroudi und ihre Kollegen von der Emory University in Atlanta, dass man die Grundlagen dieses Kunststücks verstehen muss, wenn man HIV endgültig in die Schranken weisen möchte. „Schließlich sind die natürlichen Wirte der SI-Viren die Tür, durch die HIV zu den Menschen gelangt ist, und sie werden uns auch die Hilfsmittel an die Hand geben, mit denen wir HIV wieder vor die Tür setzen können“, schreiben die Virologen in einer in „Science“ veröffentlichten Zusammenfassung zu den Strategien der friedlichen Koexistenz (Bd. 335, S. 1188). Die Affen verhindern zum Beispiel, dass ihr Immunsystem in Dauerstress gerät. Dadurch unterbleibt das für die HIV-Infektion typische Ringen und Verlieren zwischen Wirt und Virus bei der SIV-Infektion.

          Die Primaten können zudem immer genügend gesunde Immunzellen für die täglichen Anfeindungen aus der Umwelt produzieren, weil nur ganz bestimmte Gruppen an Abwehrzellen infiziert werden. Außerdem übertragen sie das SI-Virus nur selten über die Plazenta, bei der Geburt oder beim Säugen an ihre Nachkommenschaft. Bei einer unbehandelten HIV-Infektion wird fast jedes dritte Neugeborene infiziert, bei den Affen wird nur eins von zwanzig Jungtieren angesteckt.

          Die friedliche Koexistenz zwischen den Affen und ihren Immunschwäche-Viren hat sich während bis zu 75 000 Jahren Koevolution entwickelt. Die HI-Viren sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg mehrmals und unabhängig voneinander beim Verzehr und Ausweiden infizierter afrikanischer Schimpansen und Rußmangaben auf den Menschen übergegangen. Ihre Koevolution hat also noch gar nicht begonnen. Bei beiden Infektionen werden Unmengen an Viren gebildet, die infizierten Immunzellen sterben schnell ab. Beide Wirte versuchen die Viren in der akuten Phase der Infektion mit allen Mitteln der angeborenen und adaptierten Immunabwehr zu bekämpfen und scheitern dabei, auch die Affen. Das ist ein wichtiger Unterschied zwischen der natürlichen Resistenz der Primaten und der natürlichen Resistenz einzelner Personen mit einer HIV-Infektion.

          Angefärbte HIV-Viren unter dem Elektronenmikroskop.
          Angefärbte HIV-Viren unter dem Elektronenmikroskop. : Bild: REUTERS

          Diese in der Medizin als „HIV Elite Controller“ bezeichneten Personen verfügen über genau diese Fähigkeit. Sie können die Vermehrung von HIV auf lange Sicht auch ohne Medikamente unter die Nachweisgrenze drücken. Den Affen ist dieser Kunstgriff fremd. Stattdessen arbeiten die Tiere, wie Chahroudi und ihre Kollegen in „Science“ schreiben, mit anderen Strategien. Die Affen entlasten nach der akuten Phase der Infektion ihr Immunsystem mit ganz gezielten Kommandos, obwohl sich die SI-Viren munter weiter vermehren. Sie verhindern dadurch, dass ihr Abwehrsystem früher oder später durch die chronische Aktivierung überfordert wird und zusammenbricht. Bei den Affen wird auch die in der Anfangsphase der Infektion in Mitleidenschaft gezogene Immunbarriere an der Darmschleimhaut rasch wieder instand gesetzt, so dass keine Bakterien mehr aus dem Darm in die Blutbahn gelangen und die chronische Aktivierung des Immunsystems weiter verstärken. Bei einer HIV-Infektion unterbleibt die Wiederherstellung dieser Barriere, so dass das Immunsystem auf Dauer durch die aus dem Darm ins Blut gelangenden Antigene belastet wird. Bei den Affen können sich auch die infizierten Immunzellen nicht mehr an der Immunabwehr beteiligen und tragen damit nicht zur chronischen Aktivierung des Immunsystems bei.

          Bei den Primaten wird zudem nur ein ganz bestimmter Pool an CD4-positiven Helferzellen infiziert. Die CD4-positiven Gedächtniszellen, die bei jedem Wiederholungsangriff aufgerufen werden, bleiben unversehrt, weil sie keine Eintrittspforte für die SI-Viren haben. Die auch zu den CD4-positiven Zellen zählenden Th17-Zellen, die das Immunsystem bei verschiedenen Angriffen unterstützen, werden ebenfalls nicht behelligt. Dadurch bleibt den Tieren der für eine HIV-Infektion typische Abfall der CD4-positiven Helferzellen erspart. Folglich entwickeln sie auch keine Immunschwäche. Bei den Affen wird zudem die Architektur der Lymphknoten nicht angetastet.

          All diese Maßnahmen führen dazu, dass die Tiere ihre immunologische Kompetenz behalten und sich gegen die täglichen Attacken anderer Erreger erwehren können. Wie sich aus diesen Strategien der Primaten allerdings am Ende konkrete neue Konzepte für eine bessere HIV-Therapie ableiten lassen, bleibt noch abzuwarten.

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