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Schrumpfende Biodiversität : Die Arithmetik des Artentods

  • -Aktualisiert am

Die stark geschrumpften Seeotter-Bestände gefährden ganze Ökosysteme: Seeigel vermehren sich massenhaft und Riffe sterben. Bild: Christian Bauer, F1 Online

Biodiversitätsforscher sind auf der Suche nach einer griffigen Formel, um das anthropozäne Massensterben zu stoppen. Zwei deutlich verschiedene Wege werden derzeit debattiert.

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          Nach Jahrzehnten ist das Thema Klimawandel im Mainstream des Umweltbewusstseins und der Politik angekommen. Dazu beigetragen hat, dass es gelungen ist, bei aller Komplexität des Klimas mit dem 2-Grad-Ziel eine leicht begreifbare Obergrenze des Temperaturanstiegs wenigstens in den Köpfen der Menschen zu etablieren. Von einer ähnlich griffigen Formel sind Biodiversitätsforscher weit entfernt. Dabei sind weder die Komplexität noch die Krise der Artenvielfalt weniger groß als beim Klima, befinden wir uns doch seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in einer beschleunigten Phase globaler „Defaunation“ – der Entleerung der Tierwelt – und mittlerweile am Anfang eines anthropozänen Massensterbens, des historischen Artenverlustes unserer Tage. Zwar spielt diese sich seit Jahrzehnten vor unseren Augen ab; dennoch wird sie politisch übersehen und der Verlust biologischer Vielfalt in Dimension, Dynamik und Dramatik nicht erfasst. Dabei sind wir mit mehr als 7,8 Milliarden Menschen längst zum bestimmenden Evolutionsfaktor geworden.

          Zu den vielen Anzeigern des allgegenwärtigen Artenschwundes gehört etwa, dass wir allein in den beiden vergangenen Jahrzehnten ein Drittel der Urwälder verloren haben. Und hierzulande sind 70 Prozent aller Flächen, vor allem Flüsse und Seen, Wiesen und Moore, in einem ökologisch schlechten Zustand, so der diesjährige „Bericht zum Zustand der Natur“ der Bundesregierung. So haben sich die Populationen heimischer Vogelarten halbiert; bei einigen Acker- und Wiesenvögeln verschwanden oft sogar bis zu 90 Prozent der Bestände. Der Hauptgrund: die industrialisierte Landwirtschaft, die auch dafür verantwortlich gemacht wird, dass bei uns drei Viertel der Biomasse an Fluginsekten verlorengegangen sind. Aber die Aufregung um das Insektensterben hat sich wieder gelegt, abgelöst von den unmittelbaren Ängsten im Gefolge der Pandemie. Dabei begünstigt gerade die Naturzerstörung solche Erregerübertragungen von Tier auf Mensch.

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