Schönheitschirurgie : Anekdoten statt seriöse Studien
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Eine kosmetische Operation zur Verlängerung der Augenlider Bild: REUTERS
Die kosmetischen Operationen werden nur selten systematisch untersucht; es herrscht Wildwuchs. Dabei bergen selbst harmlos wirkende Aufpolsterungen Risiken.
Nur wenige Menschen sind in der glücklichen Lage, dem persönlichen Schönheitsideal ganz und gar zu entsprechen. Alle anderen betrachten das eigene Spiegelbild eher mit kritischem Blick: zu viele Falten, markante Ringe unter den Augen, hässliche Schlupflider, beginnende Hängebacken und - Stein des Anstoßes Nummer eins - eine zu große, zu schiefe oder sonst wie ungestalte Nase. Lediglich bei einer Minderheit geht die Unzufriedenheit freilich so weit, dass sie sich deshalb unters Messer begeben. Dennoch: Kosmetische Operationen haben weltweit Hochkonjunktur, und das nicht nur beim weiblichen, sondern in zunehmendem Maße auch beim männlichen Geschlecht. Laut einer von der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) vorgenommenen Hochrechnung, die auf einer Umfrage bei rund 1600 Mitgliedern basiert, haben sich im Jahr 2013 weltweit fast zwölf Millionen Personen einem kosmetischen Eingriff unterzogen. Rund ein Drittel davon erfolgten im Gesicht oder am Kopf und ein weiteres Drittel an der Brust, die übrigen betrafen die Beine, Arme oder andere Körperteile.
Wie verlässlich diese Zahlen sind, lässt sich allerdings nicht beurteilen. Sie geben ohnehin höchstens einen Teil der Wirklichkeit wieder. Denn die Statistik der internationalen Fachgesellschaft berücksichtigt nur Operationen, die von Fachärzten für plastische Chirurgie ausgeführt werden. Auf dem Gebiet der Schönheitschirurgie tummeln sich aber auch etliche Ärzte, die über keine derartigen Fachkenntnisse verfügen. Hinzu kommt, dass kosmetische Eingriffe, wenngleich inzwischen nicht mehr verpönt, nach wie vor vielfach schambesetzt sind. Diese Verschwiegenheit hat indes Tücken. Denn wo niemand genau hinsieht, lassen sich unliebsame Wahrheiten leicht schönreden oder ganz unter den Teppich kehren.
Leichte Besserung zu verspüren
Wenig verwunderlich ist es vor diesem Hintergrund, dass die Qualität von kosmetischen Eingriffen nur selten systematisch gemessen und noch seltener kritisch hinterfragt wird. Hinweise darauf liefern unter anderem die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen von plastischen Chirurgen um Arash Momeni von der Stanford University und Björn Stark von der Universitätsklinik in Freiburg. Wie sie verdeutlichen, sind solide wissenschaftliche Studien in der plastisch-ästhetischen Chirurgie Mangelware. Die einschlägigen Fachblätter veröffentlichen stattdessen vorwiegend Einzelfallbeschreibungen, Expertenmeinungen und narrative Übersichtsarbeiten - also Artikel, in denen Anekdotisches zusammengefasst wird.
„Dank wiederholter Kritik hat sich diese Situation in den letzten Jahren spürbar gebessert“, sagt Stark. „Von einem dramatischen Wandel kann allerdings noch nicht die Rede sein.“ Ähnlich ernüchternd fällt die Bilanz von Forschern um die plastische Chirurgin Lydia Ferreira von der Universität in São Paulo aus. Lediglich 0,45 bis 1,7 Prozent aller Artikel, die im Jahr 2011 in einem der vier renommiertesten Fachblätter für plastisch-ästhetische Chirurgie publiziert wurden, befassten sich demnach mit Studien, die den Ansprüchen der evidenzbasierten Medizin genügen und folglich zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn beitragen („Plastic & Reconstructive Surgery“).
Nicht nur in der Schönheitschirurgie sind aussagekräftige Studien allerdings rar gesät. Vergleichbares gilt für viele andere Bereiche der Chirurgie. Als Begründung für die dünne Datenlage führen einschlägige Größen des Fachs gern ins Feld, chirurgische Verfahren ließen sich nicht so gut standardisieren wie Therapien, bei denen Medikamente zum Einsatz kommen. Denn zum einen seien die anatomischen Gegebenheiten von einem Patienten zum nächsten teilweise sehr unterschiedlich, und zum anderen hänge das Behandlungsergebnis nicht nur von der Eingriffsart ab, sondern mindestens ebenso sehr vom handwerklichen Geschick des Operateurs. Kollegen aus den eigenen Reihen konnten diese Argumente allerdings wiederholt entkräften - indem sie vorführten, dass sich die erwähnten Schwierigkeiten bei der Wahl geeigneter Studienbedingungen durchaus umschiffen lassen.