Gespräch mit Karl Deisseroth : Der Mann, der kranke Hirne zum Leuchten bringen will
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Der zweite Träger des Else Kröner Fresenius Preises für medizinische Forschung: Karl Deisseroth Bild: Else Kröner Fresenius Stiftung
Depressionen sind für den Arzt und Gentüftler die größte Herausforderung. Jetzt hat er ein schonendes Verfahren entwickelt, das den Durchbruch in der Therapie bringen soll.
Sie haben angekündigt, mit der gewaltigen Preissumme etwas zu riskieren. Heißt das, Sie als Psychiater wollen jetzt den Menschen mit Ihrer Optogenetik in den Blick nehmen?
Es heißt erst mal, wir können jetzt endlich ein großes Projekt anfangen, das vorher unmöglich war. Es geht um etwas, von dem auch andere profitieren können. Meine ganze Vergangenheit als Forscher war ich damit beschäftigt, Methoden zu entwickeln, die auch anderen helfen, weiterzukommen. Es geht bei uns immer darum, Antworten zu ermöglichen, die vorher nicht zu beantworten waren.
Und konkret?
Bisher haben wir immer in möglichst einfachen Systemen gearbeitet. Jetzt müssen wir allmählich dazu übergehen, komplexeres Verhalten zu verstehen, kognitive und soziale Prozesse sind unser Ziel. Wir entwickeln Techniken, um Verhalten zu beeinflussen, das in Verbindung mit Depressionen steht.
Sie wollen eine Neurotechnik mit Licht verwenden, um schwere seelische Leiden zu kurieren?
Ja, Sie können das gerne Neurotechnik nennen. In einer ganz aktuellen Studie in „Neuron“, die wir veröffentlicht haben, wird der Schlüssel für diese Neurotechnologie beschrieben. Es geht um eine Methode, die Aktivität von Neuronen zu erfassen, und zwar nicht nur begrenzt auf eine Stelle im Gehirn wie üblich. Wir wollen die Informationen der Neurone fast der gesamten Großhirnrinde auf einmal erfassen. Wir wollen das große Ganze mit einem optischen Verfahren messen.
Und die räumliche und zeitliche Auflösung Ihres Verfahrens reicht dazu aus, so detailliert hinsehen zu können?
Ja, unser Ziel ist immer noch, individuelle Neurone zu messen. Wir haben dazu noch einige weitere Techniken in der Pipeline, die alle zusammen sicherstellen sollen, dass wir das System erfassen, ohne wirklich eingreifen zu müssen, wie das bei invasiven Hirnstimulationen etwa der Fall ist. Wir müssen das Gehirn dazu nicht verletzen. Wir müssen auch keine Sensoren implantieren, und wir können auch die Schädeldecke so lassen, wie sie ist. In Mäusen hat sich die Technik schon bewährt.
Das heißt, Hirnaktivität nicht nur zu messen, sondern auch gezielt zu manipulieren?
Ja, absolut. Das Interessante an dem neuen Verfahren ist, dass wir, ohne das Gehirn zu verletzen, nicht nur die Hirnströme einzelner Neurone ableiten können, sondern sie auch in dem komplexen System und während eines Verhaltens von außen beeinflussen können. Uns interessiert das gesamte Netzwerk.
Sollen am Ende auch menschliche Gehirne so gesteuert werden?
Mein Labor macht Grundlagenforschung, wir studieren Verhalten, Motivation und Belohnung auf Zellebene. Mit dem Preisgeld von Fresenius wollen wir uns aber ganz gezielt auf Depression fokussieren. Wir tun das allerdings zuerst bei Tieren, die ein Verhalten an den Tag legen wie depressive Menschen. Als therapeutisches Verfahren ist das noch lange nicht anwendungsreif.