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Paläobiologie : Dinosaurier zum Küssen

Geht auch mit Lippen: Ein Tyrannosaurus rex verschlingt einen noch nicht ausgewachsenen Edmontosaurus. Bild: Mark P. Witton

Dinosaurier wie der Tyrannosaurus rex könnten etwas anders ausgesehen haben, als wir uns sie immer vorgestellt hatten: Sie verbargen ihre Zähne hinter Lippen.

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          An den Skeletten des Tyrannosaurus rex und anderer sogenannter theropoder Dinosaurier beeindrucken nicht zuletzt ihre gewaltigen, dolchartigen Zähne. Die Vertreter dieser von der späten Trias vor 231 Millionen Jahren bis zum Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren verbreiteten Tiergruppe liefen auf Hinterbeinen mit drei Klauen, hatten hohle Knochen und waren zum größten Teil Fleischfresser. Hollywood und Scharen von Kinder- und Sachbuchillustratoren stellten sich diese Tiere immer als Wesen vor, die ihre Zähne gut sichtbar im Gesicht trugen. Aber nicht nur sie. Auch etliche Theropodenforscher hatten sie stets mit geblecktem Gebiss rekonstruiert – gleich den Krokodilen, denn das sind schließlich ihre nächsten lebenden reptilischen Verwandten.

          Ulf von Rauchhaupt
          Redakteur im Ressort „Wissenschaft“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Doch dem war vielleicht gar nicht so. Die Zweifel sät nun ein Team von Paläontologen um Thomas Cullen von der Auburn University im amerikanischen Bundesstaat Alabama, dem außerdem auch ein britischer und ein chinesischer sowie etliche kanadische Wissenschaftler angehörten. Ihnen zufolge waren die Zähne theropoder Dinosaurier von dünnen, schuppigen Lippen bedeckt. Ihre Gesichter glichen daher eher denen heutiger Eidechsen oder Warane.

          Das schließen die Forscher im Wissenschaftsmagazin Science allerdings nicht etwa aus neuen Fossilienfunden, in denen diese Lippen versteinert überdauert hätten, sondern vor allem aus einer näheren Analyse der Zahnoberflächen fossiler Dinozähne. Diesen fehlten die für Krokodile typischen Abnutzungsspuren an der Zahnaußenseite. Das weise auf die Existenz von Körpergewebe hin, welches die Beißerchen schützte und durch Speichelsekret vor Austrocknung bewahrte.

          Auch stellten die Forscher fest, dass selbst die Dolchzähne eines Tyrannosaurus rex keineswegs zu groß waren, um in einen vollständig geschlossenen Mund zu passen. Das ergab sich bei morphologischen Vergleichen verschiedener theropoder Dinosaurier einerseits sowie moderner Eidechsen und Warane andererseits. Erstere haben zwar mitunter erheblich größere Zähne – die Zähne eines Tyrannosaurus übertreffen die eines australischen Zwergwarans um das Hundertfache –, aber stets die entsprechend größeren Köpfe.

          Drittens schließlich zeigten auch Details im Aufbau fossil erhaltener Dinosaurierkiefer eine größere Ähnlichkeit mit den entsprechenden Körperpartien heute lebender belippter Reptilien als mit denen der lippenlosen Krokodile, nämlich Durchlässe im Knochen, in denen Nervenbahnen und Blutgefäße zur Versorgung des Gewebes in der Mundhöhle verliefen.

          Wenn Thomas Cullen und seine Mitautoren mit ihrer Schlussfolgerung recht haben, dann würde das erstens bedeuten, dass sich Lippen in der Stammeslinie der ausgestorbenen theropoden Dinosaurier offenbar unabhängig entwickelt haben. Denn nicht nur Krokodilen fehlen die Lippen, sondern bekanntlich auch den heutigen Vögeln. Diese aber haben sich alle – vom Kolibri bis zum Vogel Strauß – aus drei Gruppen theropoder Dinosaurier entwickelt und stehen damit Tyrannosaurus rex und Konsorten stammesgeschichtlich näher als selbst die Krokodile. Die Folgen der aktuellen Studie für unsere Dinosaurier-Ikonographie wären allerdings weitaus gravierender. Sie dürften sich daher vermutlich auch vorerst nicht einstellen. Vorschulkinder und Filmstudios werden auch weiterhin nicht davon lassen, ihre Dinos mit gefletschten Gebissen darzustellen – zumindest bis irgendwo ein mit Haut und Haaren, vor allem aber Lippen, versteinerter Tyrannosaurus gefunden wird.

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