Gespräch zur Gen-Revolution : Die Zauberstäbe der Gentechnik
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Gentechnik-Pionierinnen und Nobelpreis-Kandidatinnen: Jennifer Doudna (links) und Emmanuelle Charpentier. Bild: Wolfgang Eilmes
Die Paul-Ehrlich-Preisträgerinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier dürften in kürzester Zeit Medizin und Biotechnik umkrempeln. Aber auch mit öffentlichen Ängsten müssen sie sich auseinandersetzen.
Ihre vor nicht mal vier Jahren entwickelten Präzisions-Genscheren sind die neuen Zauberstäbe der Gentechnik: Crispr-Cas9 revolutioniert Medizin und Pflanzenzucht. Was aber, wenn das „Genome Editing“ missbraucht wird? Ein Gespräch aus Anlass der Verleihung des mit 100.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises, einem der bedeutendsten deutschen Wissenschafts- und Medizinpreise:
Wo versprechen Sie sich kurzfristig die größten Fortschritte durch Crispr-Cas9?
Doudna: Am interessantesten sind derzeit klinische Experimente mit den Körperzellen von Erwachsenen und Kindern, die bald kommen könnten. Auch die Optimierung von Biospritpflanzen ist vielversprechend.
Charpentier: Besonders spannend ist die Technik jetzt vor allem für Pflanzenforscher. Die hatten bisher eher unpräzise Verfahren der Genveränderung zur Verfügung. Langfristig ist die Medizin für mich allerdings ein noch vielversprechenderes Gebiet. Allein schon die Entwicklung von Wirkstofftests in der Medizin- und Pharmaforschung ist ein riesiger Fortschritt. ANTWORT: Wichtig ist auch herauszufinden, wieso das Verfahren bei einigen Zellen offenbar besser funktioniert als bei anderen. Die zelleigene Reparaturmaschinerie, die am Ende die Genschnipsel zusammenfügt und die wir dazu benötigen, kann durchaus noch optimiert werden.
Auch wenn kaum einer Stechmücken, die man durch einen gezielten Geneingriff steril macht, eine Träne nachweinen würde - sehen Sie nicht trotzdem die Gefahr, dass am Ende dieses „Genantriebs“ ganze Organismen ausgerottet werden oder bestimmte Genvarianten sich ausbreiten und wir damit massiv in die Evolution eingreifen?
Doudna: Im Prinzip ist so ein Szenario denkbar. Wir müssen da in der Tat sehr vorsichtig herangehen, speziell bei Organismen, die in die Umwelt freigesetzt werden. Kollege George Church ist ein Spezialist auf diesem Gebiet, und er diskutiert das zur Zeit sehr intensiv.
Charpentier: Das ist in der Tat ein sensibles Thema. Wir sprechen hier von evolutionären Veränderungen und Eingriffen in ganze Ökosysteme. Wie man so etwas bewertet, können wir nicht sagen. Ebenso wenig wie wir Spezialisten in ethischen Fragen sind. Ich finde, es muss da am Ende strikte Regelungen geben. Wir müssen da aber als Wissenschaftsgemeinde mitarbeiten.
Sind für Sie Organismen, die mit den Crispr-Cas9-Genscheren optimiert wurden, ohne Spuren zu hinterlassen, immer noch gentechnisch veränderte Organismen nach der klassischen Definition?
Charpentier: Eine spannende Frage. Für mich ist Crispr-Cas9 ein natürliches Werkzeug und seine Aktivität ein natürlicher Vorgang. Es bleibt jedenfalls kein Rest aus der Genveränderung im Genom zurück. Ende letzten Jahres haben die Schweden entschieden, eine der ersten mit Crispr-Cas9 veränderten Pflanzensorten, in dem Fall das Versuchsgewächs Arabidopsis, als nicht-gentechnisch verändert zu akzeptieren. Sie wollten das als Erstes festlegen und hoffen sicher, dass die Europäische Union ihr folgt.
Sie haben zusammen mit einer Reihe bedeutender Genforscher öffentlich ein Moratorium gefordert. Seit dem Gentechnik-Weltgipfel in Washington vergangenen Dezember ist allerdings keine Rede mehr davon. Es tauchte auch im Abschlussdokument nicht auf. Ist das Moratorium ausgesetzt?
ANTWORT Charpentier: Die schwedische Akademie hat in Washington ja klar formuliert, dass man die Möglichkeit für Geneingriffe an Embryonen zumindest zu Forschungszwecken unbedingt erhalten will. In Großbritannien sind solche Experimente inzwischen auch genehmigt worden. Man muss dabei immer beachten, dass dort solche Embryonen im Labor, die aus rund zweihundertfünfzig Zellen bestehen, als nicht lebensfähig betrachtet werden und in vielen Ländern auch nicht den vollen Lebensschutz genießen. In Deutschland sind solche Genexperimente allerdings ausgeschlossen.
Doudna: Moratorium war einfach kein guter Begriff. Den wollten wir in Washington nicht länger benutzen. Denn er bedeutet, dass man etwas auch erzwingen kann. Das können wir aber nicht. Alle, die unterschrieben haben, sind sich einig, dass wir umsichtig vorgehen sollten, speziell wenn es um Anwendungen in der Keimbahn, um Embryonen oder Keimzellen geht, wo Menschen vererbbare neue Eigenschaften erhalten sollen. Wir lehnen solche klinischen Anwendungen ab, bis die ethischen genauso wie die technischen und wissenschaftlichen Fragen geklärt sind.