Gentechnologie : Stochern im DNA-Salat
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Irgendwelche Auffälligkeiten? Blick auf Craig Venters Genom Bild: J. Craig Venter Institute
Nie war es so einfach, im Erbgut zu wühlen, wie heute. Und nie war die Kluft größer zwischen dem, was technisch möglich, und dem, was sinnvoll ist. Was sagen uns eigentlich die ganz persönlichen DNA-Profile?
Noch ist die Maschine so groß wie ein Kühlschrank. Sie steht im Labor von George Church an der Harvard Medical School. Ob sein "Polonator G 007" funktioniert, weiß außer ihm keiner, aber angeblich kann er DNA schneller entziffern als jeder andere Automat. Irgendwann, prophezeit sein Erfinder, wird so ein Ding auf handliches Würfelformat schrumpfen und in jedem Haushalt stehen, vielleicht neben dem Toaster; wer dann wissen will, ob sein Beefsteak tatsächlich vom Angusrind stammt, schiebt eine Probe davon hinein, und das Genprofil zeigt ihm im Handumdrehen, ob ihn sein Metzger beschummelt hat.
George Church ist nur einer von sieben Wettbewerbern, die sich zum "Archon X Prize" angemeldet haben. Vor zwei Jahren hat ihn der kanadische Diamantenmillionär Stewart Blusson gestiftet. Zehn Millionen Dollar winken dem, der es als Erster schafft, innerhalb von zehn Tagen einhundert menschliche Genome zu sequenzieren, zu einem Preis von nicht mehr als zehntausend Dollar pro Stück und mit einer Genauigkeit von mindestens 98 Prozent. Die Kosten könnte er also mit dem Preisgeld verrechnen. George Church hat allerdings vor, weit darunter zu bleiben: Er sieht längst das Tausend-Dollar-Genom in Reichweite.
Ein neues Geschäftsfeld
"Personal Genomics" heißt das neue Geschäftsfeld. Jeder Mensch soll in nicht allzu ferner Zukunft seine persönliche DNA-Sequenz kennen, genauso wie seine Augenfarbe oder seine Blutgruppe. Bislang ist der Klub derer, die das von sich behaupten können, noch ziemlich exklusiv. Er besteht aus zwei Personen, dem Nobelpreisträger James Watson und dem Genpionier Craig Venter, die beide maßgeblich am Gelingen des Human Genome Project beteiligt waren. Das hatte gut zehn Jahre gedauert und bis zu seinem Abschluss im Jahre 2003 drei Milliarden Dollar verschlungen. Nur noch zwei Monate Zeit und jeweils eine Million Dollar benötigte dann die Entschlüsselung des Erbgutes von Watson und Venter. Seit vergangenem Sommer steht das Ergebnis im Internet.
Die Frage ist nur: Was kann man damit anfangen? Liefert die DNA-Sequenz Hinweise auf den Charakter eines Menschen? Beschreibt sie, wie er aussieht? Welches Risiko für welche Krankheit er trägt? Welches Medikament er vielleicht vorbeugend einnehmen sollte? Erste Kommentare zu den intimen Daten der beiden Gen-Exhibitionisten fielen eher sarkastisch aus. Der Isländer Kari Stefansson, dessen Firma Decode seit zehn Jahren dabei ist, das Erbgut seiner Landsleute zu inventarisieren, fand auf die Schnelle heraus, dass James Watson offenbar ein paar schwarze Vorfahren besessen haben musste; immerhin 16 Prozent seiner Gene seien afrikanischer Abstammung, was insofern pikant war, als Watson kurz zuvor wegen der Bemerkung, Afrikaner seien von Natur aus dümmer als Weiße, von seinem Posten am Cold Spring Harbor Labor zurücktreten musste. Craig Venter nahm die Sache lieber selber in die Hand und verkündete, nun wisse er, dass er ein Nachteulen-Gen trage und eines für Langlebigkeit. Ganz sicher war er sich aber nicht, was das zu bedeuten habe, denn sein DNA-Profil zeige beispielsweise auch, dass er risikoscheu sei, was man nun wirklich nicht behaupten könne.
Mein Genom und ich
Die Antwort, was das alles soll, blieb erst einmal offen. Aber es wird fleißig weiter sequenziert. Anfang dieses Jahres wurde ein neues Mammutprojekt gestartet: Ein Konsortium aus amerikanischen, chinesischen und europäischen Forschern will gleich tausend Freiwillige unter die Lupe nehmen, rekrutiert aus so unterschiedlichen Volksgruppen wie dem nigerianischen Yoruba-Volk, den Einwohnern Utahs, Pekings oder Tokios. Das soll nun endlich die wahre Natur des Menschen enthüllen.