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Fettleibigkeit : Eine Katastrophe weniger

  • -Aktualisiert am
Was ist dick, was normal: Beim Baden zeigt sich, was man hat

Was ist dick, was normal: Beim Baden zeigt sich, was man hat Bild: dpa

Die Politiker malen den dicken Teufel an die Wand: Deutschlands Nachwuchs ist zu fett. Aber diese Fettleibigkeits-Epidemie bei Kindern in Deutschland gibt es nicht.

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          Dem Mitglied der königlich-schwedischen Bergbaukommission Emanuel Swedenborg erschien im Jahre 1745 in der dunklen Ecke einer Gaststube ein Mann. Er sagte: "Iß nicht soviel" und verschwand. In der kommenden Nacht kam er zurück und outete sich dem Wissenschaftler gegenüber als Gott persönlich. Swedenborg, auf Bildern mit asketischen Zügen überliefert, nahm den Rat an. Er widmete sich nur noch theosophischen Studien und wurde 84 Jahre alt.

          Weniger oder zumindest "gesünder" essen sollten heute auch die Bewohner der westlichen Welt, wenn die von der WHO ausgerufene Fettleibigkeitsepidemie mit dramatischen Folgen für Wirtschaft und Gesundheitssysteme sie nicht überrollen soll. In den Vereinigten Staaten sollen gewichtsbedingte Krankheiten schon nächstes Jahr die Raucherleiden als Todesursache Nummer eins ablösen.

          Alles Definitionssache

          Auch in Deutschland wird vor einem alarmierenden Anstieg des Übergewichts, vor allem bei Kindern, gewarnt. Ein Drittel aller Jungen und jedes vierte Mädchen seien bei der Einschulung übergewichtig, war in diese Woche überall zu lesen. Verbraucherministerin Renate Künast ruft zum Handeln auf. In einer Regierungserklärung Mitte Juni präsentierte sie ihre Initiative "Plattform Ernährung und Bewegung". Eltern, Ärzte, Nahrungsproduzenten, Gewerkschaften et cetera sollen sich zusammenfinden und die Katastrophe abwehren. Am Freitag ist der entsprechende e.V. gegründet worden.

          Bild: F.A.Z.

          Aber wo das Drittel der in der Ärztesprache "auffällig" Dicken sich aufhält, bleibt unklar, wenn man auf Straßen, Schulhöfen und in Kindergärten nachschaut. Es finden sich immer ein paar Dicke, auch sehr Dicke. Aber jeder dritte?
          Jene Mediziner, die die wenigen in Deutschland verfügbaren Studien zu diesem Thema veröffentlicht haben, relativieren das Bild ähnlich wie der Blick auf den Schulhof. Übergewicht und Fettleibigkeit sind Definitionssache. Errechnet wird meist der sogenannte Body-Mass-Index (BMI, Körpergewicht geteilt durch das Quadrat der Körpergröße).

          Heutige Standards

          In Untersuchungen, die Beate Herpertz-Dahlmann, Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der TU Aachen, zusammen mit Kollegen machte, wurde als Schwellenwert für Übergewicht die sogenannte 85. Perzentile 30 Jahre vor der Studie festgelegt. Das klingt akademisch, ist aber eigentlich simpel: Gemeint sind die 15 Prozent der Schulanfänger vor 30 Jahren mit dem höchsten BMI. Per definitionem, also nicht nach medizinischen Kriterien, waren also damals schon 15 Prozent übergewichtig.

          Anfang des neuen Jahrtausends erreichten in Aachen doppelt so viele Kinder diesen Wert, über 30 Prozent. Was folgt, ist die Schlagzeile von einem Drittel übergewichtiger Kinder in Deutschland, zu der sich kürzlich eine Meldung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP) verdichtete. Herpertz-Dahlmann, die auch Präsidentin der DGKJP ist, sagt allerdings selbst, die Zahlen bedeuteten "nicht, daß diese Kinder nach heutigen Standards zu dick sind".

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