Faultier : Bloß keine Hektik
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Der ideale Mitarbeiter, um Kunden in den Wahnsinn zu treiben: Faultier Flash aus dem Disneyfilm „Zoomania“ Bild: INTERTOPICS/LMKMEDIA Ltd.
Nebenrolle im Kino, Hauptdarsteller im Kinderbuch – das Faultier ist beliebt wie nie. Als Haustier eignet es sich aber nur bedingt.
Ein genügsames Wesen zeichnet das Faultier aus. Weder Gassigehen noch anderweitig zeitaufreibende Bemühungen sind notwendig, um das Tier bei Laune zu halten. Wer oder was eignet sich also besser als Haustier? So fällt die Wahl des kleinen Mädchens im Kinderbuch „Lucky“ der amerikanischen Autorin Jenny Offill und des Illustrators Chris Appelhans auch auf ein Faultier. Denn die Mutter des kleinen Mädchens ist entschieden gegen alle Tiere, die Arbeit machen.
Nicht zum ersten Mal erobert ein Faultier die Herzen. Im Disneyfilm „Zoomania“ heißt es Flash und hat nur einen kurzen Auftritt. Allerdings sind es denkwürdige Minuten. Flash arbeitet in einer Behörde, und zwar in Zeitlupe. Sogar seine Gesichtsmuskeln verziehen sich erst nach vielen Sekunden zu einem herzhaften Lachen.
Kuscheln? Lieber nicht
Wie ist das nun aber mit einem richtigen Faultier? Darf man es sich in die eigenen vier Wände holen? Will man es überhaupt? „Das sind keine Kuschelkatzen“, sagt die Biologin Jutta Heuer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zoo Halle. Die Faultier-Expertin führt seit 1996 ein europäisches Zuchtbuch für Zweifingerfaultiere. Das Fell der Jungtiere ist zwar samtweich. Aus ihrer langjährigen Erfahrung mit den Tieren weiß sie aber, dass sie partout nicht zahm werden. Will man die etwa fünfzig Zentimeter langen und fünf Kilo schweren Tiere aus ihrer Wohlfühlposition abhängen, wehren sie sich. Die scharfen Krallen und spitzen Eckzähne eignen sich bestens zum Kratzen und Zubeißen. Und ihre Vorderkrallen greifen so fest wie ein Schraubstock.
Nach der aktuellen Gesetzeslage ist der Handel mit den Tieren in Europa erlaubt. Kann der Faultier-Liebhaber Sachkunde nachweisen, spricht nichts gegen den Kauf im Zoofachgeschäft. Zuvor muss er ein Zertifikat des Veterinäramtes und eine Baugenehmigung der untersten Landwirtschaftsbehörde für das Gehege beantragen. Wer sich den Wunsch dann immer noch erfüllen will, muss tief in die Tasche greifen: Ein Faultier kostet rund achttausend Euro, berichtet eine Mitarbeiterin der Zoofachhandlung „Zoo Zajac“ in Duisburg. Mit einer Endsumme zwischen zehn- und dreißgtausend Euro sei zu rechnen, wenn ein Käfig hinzukommt. Die Tiere brauchen viele Klettermöglichkeiten und eine hohe Luftfeuchte. Dafür sollte eine Berieselungsanlage installiert werden.
Der Feind kommt von oben
Denn der natürliche Lebensraum der Faultiere sind die tropischen Regenwälder Süd- und Mittelamerikas. Sechs verschiedene Arten leben dort heute noch. Sie verteilen sich auf zwei Gattungen: Zwei- und Dreifingerfaultiere. Gefährlich wird es für die Tiere, wenn eine Harpyie über den Baumkronen auf Nahrungssuche kreist. Der sehr kräftig gebaute Greifvogel lebt in den Urwäldern und ist darauf spezialisiert, Affen und Faultiere in dichtbewachsenen Baumkronen zu jagen. Im Geäst sind Faultiere eigentlich bestens getarnt. In ihrem Fell wachsen Algen, dadurch schimmert es grünlich und fällt im dichten Blätterdach kaum auf. Dummerweise müssen Faultiere absteigen, wenn sie sich erleichtern wollen. Denn die schützenden Algen gedeihen nur, wenn sich außerdem am Boden lebende Motten dazugesellen, die im Faultierkot schlüpfen.
Diese nützliche Dreiecksbeziehung kann den trägen Tieren zum Verhängnis werden. Denn am Boden sind sie Raubkatzen wie Puma und Jaguar ausgeliefert. Allerdings suchen die Tiere nur alle acht bis zehn Tage den Weg nach unten. In ihrem mehrhöhligen Magen, ähnlich dem eines Wiederkäuers, verdauen sie ihre Blattnahrung sehr langsam. Dreifingerfaultiere vertilgen die Blätter des Ameisenbaums, während Zweifingerfaultiere auch Obst essen und gerne Vogelnester ausrauben, zumindest in Gefangenschaft.
Noch eines hat Jutta Heuer im Zoo Halle beobachtet: Entgegen der Bilderflut im Internet, die das Faultier meist hängend im Geäst zeigt, sitzen die Tiere viel lieber aufrecht und schlingen ihre langen Vorderarme um einen Ast. So können sie optimal ruhen. Erst wenn sie fressen wollen, hangeln sie sich kopfunter vorwärts. Die Organisation ihrer inneren Organe und ihr Haarkleid sind an diese umgekehrte Lebensweise angepasst. Anders als bei den übrigen Säugetieren verläuft bei ihnen der Scheitel auf der Mittellinie von Brust und Bauch, so dass Regen und tropfende Nässe nach beiden Seiten abfließen können.