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Emotionspsychologie : Nicht ohne meine Gefühle

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Stimmungen kommen und gehen. Sonst wäre das Leben ja auch reizlos und schal. Bild: Getty

In dem Animationsfilm „Alles steht Kopf“ spielen Emotionen die Hauptrolle. Darin ist eine nicht mehr ganz aktuelle psychologische Theorie eingeflossen.

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          Die Schaltzentrale in Rileys Kopf erinnert ein bisschen an die Kommandobrücke des Raumschiffs Enterprise: Vor buntem Hintergrund stehen die als kleine Elfen und Kobolde personifizieren Emotionen Ekel, Angst, Ärger, Trauer und Freude an einem Master-Schaltpult, wie man es von der Enterprise kennt. Als die eigentlichen Helden im eben angelaufenen Pixar-Film „Alles steht Kopf“ steuern sie von dort das Verhalten der kleinen Riley durch die Untiefen der Kindheit, wie einst Captain Kirk und die Seinen die Enterprise durch die Galaxis. Als die Elfjährige vom Land in die wenig anheimelnde Großstadt umzieht, droht das eingespielte Team die Kontrolle zu verlieren. In ihrem metaphorischen Innenleben entspinnt sich ein emotionales Abenteuer.

          Sie führen sich auf wie Chefs: Angst, Ärger, Ekel ....
          Sie führen sich auf wie Chefs: Angst, Ärger, Ekel .... : Bild: Disney/Pixar.

          Emotionen galten schon immer als etwas zutiefst Menschliches, das sowohl unser subjektives Erleben, als auch das soziale Miteinander prägt. Gleichzeitig sind sie flüchtig und schwer zu fassen, insbesondere im Kontext eines kontrollierten Laborexperiments. Empirisch arbeitende Psychologen hielten sich deshalb lange von der Emotion als Untersuchungsgegenstand fern und widmeten sich lieber der vermeintlich besser beschreibbaren Mechanik von Reiz und Verhaltensreaktion. Aus Sicht des lange dominierenden Behaviorismus waren Emotionen bestenfalls Teil der als nicht direkt erforschbar angesehen Black Box des Verstandes. „Erst ab den Siebzigern wurden Emotionen langsam zu einem ernstzunehmenden Forschungsthema, das heute einen wichtige Platz in der Psychologie einnimmt“, sagt Ulrich Mees von der Universität Oldenburg.

          ... Freude und Kummer
          ... Freude und Kummer : Bild: Disney/Pixar.

          Zunächst einmal galt es zu definieren, was genau man denn da untersuchen wollte. Keine banale Aufgabe, wie Klaus Scherer von der Universität Genf und Gründer des Swiss Center for Affective Sciences am Beispiel eines Mannes zeigt, der einem auf einem Spaziergang plötzlich mit einem bluttriefenden Messer in der Hand aus dem Gebüsch entgegentritt. „Mit großer Wahrscheinlichkeit empfänden Sie dann, was man gemeinhin eine Emotion nennt. Aber was genau macht genau diese Emotion aus? Der beschleunigte Herzschlag? Der offene Mund und die aufgerissenen Augen? Der stockende Atem? Der plötzliche Drang wegzulaufen? Oder ist es das Gefühl, dass Sie sich in Gefahr befinden – etwas, das Sie vermutlich als Angst bezeichnen würden?“

          Emotionen und Stimmungen

          Tatsächlich definieren die meisten modernen Emotionstheorien den Begriff als eine zeitlich koordinierte Kombination von kognitiver Bewertung, physiologischer Erregung, motorischem Ausdruck, einer Handlungstendenz und einem subjektiv wahrgenommenen Gefühl als Reaktion auf ein als bedeutend wahrgenommenes Ereignis. Die Bindung an einen Auslöser und die zeitliche Begrenzung unterscheiden Emotionen auch von den eher längerfristigen und unbestimmten Stimmungen. Dabei beeinflussen sich Emotionen und Stimmungen durchaus gegenseitig: Eine depressive Grundstimmung dämpft positive und verstärkt negative Emotionen, umgekehrt kann sich ein freudiges Erlebnis am Morgen auf die Stimmung des ganzen Tages auswirken.

          Aus all diesen Komponenten lassen sich eine schier endlose Vielfalt von Emotionstypen und Subtypen zusammenstellen, die sich meist grob auf zwei Hauptachsen zwischen den Polen angenehm und unangenehm, sowie aktiv und passiv anordnen lassen. Diese Vielfalt spiegelt sich auch im Reichtum der Begriffe wider, welche fast alle Sprachen für verschiedene Emotionen kennen – im Deutschen sind es mehrere Hundert. Das widerspreche der populären Vorstellung von klar abgrenzbaren Emotionsprototypen, die sich auch in „Alles steht Kopf“ widerspiegelt, findet Scherer.

          Die Theorie der Basisemotionen

          Weniger Probleme hat damit sein amerikanischen Kollege Paul Ekman, wissenschaftlicher Berater für den Film und Begründer der lange Zeit dominierenden Theorie der Basisemotionen. Ende der sechziger Jahre besuchte Ekman auf Papua-Neuguinea Eingeborene, die damals noch ohne jeden Kontakt zum Rest der Welt lebten. Mit Hilfe eines Übersetzers bat er sie, sich bestimmte emotionale Szenen wie den Tod eines Kindes oder das Wiedersehen mit einem Freund vorzustellen und ihm den dazu passenden Gesichtsausdruck zu demonstrieren. Die ähnelten weitegehend dem, was Ekman von den Menschen zuhause in Amerika kannte. Er schloss daraus, es gebe eine überschaubare Zahl abgrenzbarer Basisemotionen, die ebenso wie ihr mimischer Ausdruck universell verbreitet seien. Ähnliches hatte bereits 1872 Charles Darwin in seinem Buch „Vom Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ vermutet und als Beleg für seine Abstammungslehre gedeutet.

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