Der T. rex der Lüfte ist noch ohne wissenschaftlichen Namen. Provisorisch nennen sie in „Dracula“ Bild: Illustration Frederik Spindler, Dinosaurier Museum Altmühltal
Flugsaurier : Dracula in Denkendorf
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Flugsaurier sind das Thema einer kleinen, aber feinen Ausstellung im Altmühltal. Zur Eröffnung wurde nun eine wissenschaftliche Sensation vorgestellt: Das gewaltigste bislang gefundene geflügelte Wesen.
Quetzalcoatlus northropi – das klingt nicht nach einer Vokabel, die man Vorschulkindern zumuten möchte. Und doch geht sie selbst vielen Dreijährigen problemlos von den Lippen. Denn es ist der Name eines geflügelten Pendants zum Tyrannosaurus rex: Eines riesenhaften Reptils der ausgehenden Kreidezeit, von dem in den frühen 1970er Jahren in Texas versteinerte Knochen eines linken Flügels gefunden wurden und das seither nicht nur in Jugendsachbüchern als das größte Lebewesen firmiert, das sich je in die Lüfte erhob.

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Flugsaurier oder Pterosaurier (wörtlich „Flügelechsen“) waren die ersten Wirbeltiere, die sich in der späten Trias vor vielleicht 220 Millionen Jahren den Luftraum eroberten. Am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren gingen sie zusammen mit ihren entfernten Verwandten, den Dinosauriern, unter. Es gab sie in fast allen Größen, in denen es heute Vögel gibt, aber darüber hinaus auch in XXL-Formaten, welche Vögel, bisher jedenfalls, nie erreichten: Quetzalcoatlus northropi brachte es bis auf Flügelspannweiten zwischen zehn und elf Metern und besaß damit die Abmessungen eines kleinen Flugzeugs vom Typ Cessna 172.
Doch mit numerischen Rekorden ist das gerade bei den größten Flugsauriern, denen aus der Familie der Azhdarchidae so eine Sache. Noch nie ist von ihnen ein auch nur halbwegs vollständiges Skelett gefunden worden. Zahlen zu ihren Lebendgrößen sind immer Schätzungen. Sie beruhen auf zum Teil sehr fragmentarischen Fossilien, wobei Bruchstücke kleinerer und größerer Individuen mit kriminalistischem Scharfsinn kombiniert werden müssen, um eine Vorstellung von ihrem Körperbau und ihrer Zugehörigkeit zu einem Taxon, also etwa einer Gattung oder Art zu bekommen. Und demnach dürfte es neben Quetzalcoatlus auch andere ähnlich riesige Flugsaurier gegeben haben, zum Beispiel Hatzegopteryx thambema, eine Art aus Rumänien, die 2002 zuerst beschrieben wurde. Auch dieser Gigant lebte in der letzten Phase der Kreidezeit. Seine Reste sind indes noch spärlicher als die des Quetzalcoatlus oder anderer Azhdarchiden. Einen wissenschaftlich anerkannten Größenchampion für erdmittelalterliches Geflügel konnte es schon deswegen nicht geben.
Quetzalcoatlus ist seinen Titel los
Das hat sich am vergangenen Donnerstag geändert. Da wurde im Dinosauriermuseum Altmühltal bei Denkendorf eine Ausstellung mit 24 der wichtigsten (und schönsten) Flugsaurierfossilien eröffnet – vier von ihnen sind unten zu sehen. Denn in der Nachbarschaft liegen die 150 Millionen Jahre alten Formationen des Solnhofener Plattenkalks, einer der weltweit bedeutendsten Lagerstätten für Fossilien aus dem oberen Jura, nicht zuletzt von Flugsauriern, deren Vielfalt damals wohl gerade ihr Maximum erreichte. Das 25. Exponat aber war kein Pterosaurier aus dem Solnhofener Kalk, dafür aber eine veritable wissenschaftliche Sensation: Anlässlich der Ausstellungseröffnung wurde die Rekonstruktion des Skelettes einer neuen Pterosaurierform vorgestellt, nachdem eine dafür ausreichende Anzahl und Vielfalt von Fossiltrümmern gefunden worden war. Und obgleich die wissenschaftliche Publikation dazu noch in Vorbereitung ist, sind sich die beteiligten Paläontologen in einem Punkt einig: Das ist definitiv der größte Flugsaurier, der bislang gefunden wurde. Quetzalcoatlus northropi ist entthront.