Gehirne beim Gähnen : Ich bin gar nicht so müde
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Soo müde: Diese Katze präsentiert ihr Gähnen eindrucksvoll. Bild: dpa
Hirnforschung mit Youtoube-Videos: Das Gähnen hat einen schlechten Ruf. Menschen, die gähnen, sind müde, heißt es. Aber stimmt das überhaupt? Eine Studie liefert neue Erkenntnisse.
Gähnen gilt als unschicklich, als Ausdruck von Schläfrigkeit und Langeweile. Doch das scheint nicht ganz zu stimmen. Denn es spricht einiges dafür, dass das Gähnen eine Aufwertung verdient. Wer länger gähnt, hat offensichtlich ein größeres Gehirn und mehr Nervenzellen in der Großhirnrinde.
Das legen Untersuchungen von Andrew Gallup von der State University of New York in Oneonta und seinen Kollegen nahe. Wie sie in den „Biology Letters“ (doi: 10.1098/rsbl. 2016.0545) berichten, gähnen Mäuse bei vier Millionen kortikalen Nervenzellen im Durchschnitt weniger als eine Sekunde. Der Mensch gähnt bei 11,5 Milliarden kortikalen Nervenzellen durchschnittlich 6,5 Sekunden lang, und bei Hunden dauert das Gähnen mit 160 Millionen kortikalen Nervenzellen rund 2,2 Sekunden.
Gallup und seine Kollegen haben diese Zahlen für 29 verschiedene Säugetiere zusammengestellt und fast immer einen robusten Zusammenhang zwischen der Dauer des Gähnens und der Komplexität des Gehirns festgestellt. Für die Berechnung der durchschnittlichen Gähn-Dauer haben die Wissenschaftler mehr als 200 „Youtube-Videos“ ausgewertet. Die Angaben über das Gewicht der Gehirne bei den einzelnen Arten und die Zahl der kortikalen Nervenzellen haben sie aus der Literatur zusammengestellt. Zu den untersuchten Säugetieren gehörten neben Mäusen und Hunden auch Katzen, Igel, Füchse, Eichhörnchen, verschiedene Affen, Kamele, Löwen, Afrikanische Elefanten und weitere Tiere.
Was das Gähnen mit dem Dehnen zu tun hat
Primaten gähnten offenkundig am längsten. Sie besitzen auch die Gehirne mit der größten neuronalen Komplexität. Die Dauer des Gähnens hatte nichts mit dem Körpergewicht oder der Größe der Kieferknochen zu tun, denn Gorillas, Kamele, Pferde, Löwen oder Walrosse gähnten weniger lange als der Mensch. Das gilt auch für den Afrikanischen Elefanten, obwohl sein Gehirn schwerer ist als das des Menschen, aber weniger komplex.
Die Forscher um Gallup sehen in den Ergebnissen keine abstrusen Korrelationen, sondern ein Phänomen, dem man näher auf den Grund gehen sollte. Gähnen ist ein weitverbreitetes Verhalten. Nahezu alle Wirbeltiere gähnen, von den Fischen über die Reptilien bis hin zu den Vögeln und Säugetieren. Ein so häufig vorkommendes Verhalten kann nicht ohne Bedeutung sein, allerdings ist diese immer noch nicht hinreichend aufgeklärt worden.
Gähnen könnte das Gehirn aus einem Dämmerzustand holen, es über tiefes Einatmen besser durchbluten und abkühlen. Gegenüber der „Los Angeles Times“ äußerte Gallup die Vermutung, dass das Gähnen vermutlich eine ähnliche Wirkung auf das Gehirn hat wie das Dehnen auf die Körpermuskulatur. Dehnen erhöhe entscheidend die Blutzirkulation und versorge die gesamte Muskulatur mit mehr Energie - sprich: Glukose und Sauerstoff. Um die gleiche Wirkung beim Gehirn zu erzielen, müssten Lebewesen mit einem großen und komplexen Gehirn eben länger gähnen.