Leihmutterschaft : Mein Bauch gehört nicht mir
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Indien ist ein beliebtes Ziel für Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch. Bild: REUTERS
Leihmütter werden bezahlt, um gesunde Kinder abzuliefern. Aber das Geschäft kann auch schiefgehen. Was wird aus Gammy und seiner Schwester? Hintergründe zu einem aktuellen Fall.
Der heute acht Monate alte Gammy war in Thailand zur Welt gekommen, ausgetragen von einer Leihmutter im Auftrag eines Ehepaares aus dem australischen Perth. Doch das nahm nur Gammys Zwillingsschwester in Empfang. Den Jungen, der ein Down-Syndrom hat und angeblich am Herzen operiert werden muss, ließen sie zurück. Jetzt will die Leihmutter auch die gesunde Schwester bei sich haben.
Es ist ein Fall, der nach salomonischen Richtern ruft. Jede Leihmutterschaft hebelt den alten Rechtsgrundsatz aus, nach dem es stets sicher sei, wer die Mutter ist. Im Zeitalter der Reproduktionsmedizin kann ein Kind gleich drei Mütter haben: eine biologische (von der die Eizelle stammt), eine austragende (die ihren Uterus zur Verfügung stellt) und eine soziale Mutter, bei der es am Ende aufwächst. Dass umgekehrt die Vaterschaft stets anzuzweifeln sei, ist ebenfalls überholt. Ein DNA-Test kann Gewissheit verschaffen. Anderseits ist der Vater bei einer anonymen Samenspende überhaupt nicht mehr zu ermitteln.
Zahl der Leihmutterschaften steigt
Wer sich auf eine Leihmutterschaft einlässt, muss nicht nur mit juristischen, sondern auch mit moralischen Fallstricken rechnen. Trotzdem wird dieser Weg, ein Kind zu bekommen, immer häufiger gewählt; allein in den Vereinigten Staaten verdoppelte sich die Zahl der bekannt gewordenen Fälle seit 2004 auf jährlich mehr als tausend.
Anfangs waren es vor allem Paare, bei denen die Frau unfruchtbar war. Ersatzweise wurde eine andere Frau mit dem Samen des Ehemannes befruchtet. Technisch gesehen handelt es sich dabei um eine konventionelle Zeugung, die auch ohne die Hilfe von Medizinern gelingt. Schon die Bibel kennt ein Beispiel: Abraham, zum Stammvater eines großen Geschlechts bestimmt, war mit Sarah verheiratet, die zu alt war, um Kinder zu bekommen. „Geh zu meiner Magd, dass ich aus ihr mich aufbauen möge“, sagt sie. So gebiert Hagar, die ägyptische Sklavin, Abrahams ersten Sohn Ismael. Bereits in der Bibel führt das zu Eifersucht und genealogischen Verwicklungen.
Traditionell wurden derartige Arrangements in Adelsfamilien getroffen, wenn es mit dem dynastischen Nachwuchs nicht klappen wollte. Die gewünschte Erbfolge konnte dann per Adoption geregelt werden. Heute sind es oft schwule und lesbische Paare, die sich gegenseitig einen Freundschaftsdienst erweisen.
In der Petrischale gezeugt
Wenn reine Freundschaft nicht weiterhilft, kommen kommerzielle Interessen ins Spiel. Der britische Sänger Elton John und sein Partner David Furnish beauftragten eine kalifornische Agentur; im Dezember 2010 wurde ihr Sohn Zacher Jackson Levon Furnish-John geboren. Sie ließen offen, wer der leibliche Vater sei, angeblich wissen sie es selbst nicht. Bekannt ist nur, dass Lady Gaga als Patentante einsprang. Auch weibliche Prominente wie Nicole Kidman oder Sarah Jessica Parker haben ihren Nachwuchs einer Leihmutter anvertraut. In amerikanischen Talkshows und in zahlreichen Kinofilmen spielt das Thema inzwischen eine große, fast immer positiv besetzte Rolle.
In der Praxis geht es weniger glamourös zu. Fast immer steht am Anfang eine In-vitro-Befruchtung, bei der die Wunscheltern ihre eigenen Ei- und Samenzellen zur Verfügung stellen. Der Embryo wird in der Petrischale gezeugt und vier Tage später im Stadium der Blastozyste in die Gebärmutter einer Leihmutter eingepflanzt, die dafür bezahlt wird. Auftraggeber sind vor allem Paare, bei denen die Frau zwar imstande ist, zu empfangen, aber das Kind aus medizinischen oder psychologischen Gründen nicht austragen kann oder will. Die Preise schwanken: In den 18 nordamerikanischen Bundesstaaten, in denen das Prozedere erlaubt ist, werden mindestens 100 000 Dollar fällig. Deutlich billiger ist es in Ländern wie Indien, Thailand, Russland oder der Ukraine. In Georgien soll es mit zirka fünftausend Dollar zur Zeit am günstigsten sein.