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Artensterben : Wer seid ihr – und wie lange noch?

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Immer mehr Tierarten weltweit sind vom Aussterben bedroht, unter anderem auch der Eisbär.
Immer mehr Tierarten weltweit sind vom Aussterben bedroht, unter anderem auch der Eisbär. : Bild: dpa

Eigentlich ist das nichts Neues: Schon immer kategorisiert und erkennt der Mensch die belebte und unbelebte Natur mit einem bestimmten Teil seines Gehirns: dem unteren Temporallappen, mit dem er unter anderem auch Gesichter erkennt. So ausgestattet, teilt der Mensch seit jeher seine Umgebung ein. In essbar und ungenießbar, gefährlich und harmlos. Seit Anbeginn der Sprache vergab er dann Namen und konnte über Dinge der Natur kommunizieren – eindeutig war diese „Volkstaxonomie“ allerdings immer nur begrenzt, regional wie sozial. Die wissenschaftliche Taxonomie hingegen ermöglicht eine internationale Verständigung, über die Grenzen einzelner Länder und Sprachräume hinaus: Seit Carl von Linné, dem vielzitierten Vater der binominalen Nomenklatur, hat jede der Wissenschaft bekannte Art genau einen wissenschaftlichen Namen. So sorgt Taxonomie dafür, dass die belebte Natur, geordnet und mit Namen versehen, verfügbar ist: verfügbar für eine gemeinsame Kommunikation über einzelne Arten, über deren Biologie und Ökologie, ihre Rolle in der Natur und ihre Gefährdung. Es liegt vielleicht in der Neugier des menschlichen Wesens begründet, gepaart mit der neuronalen Voraussetzung in unserem Gehirn, dass wir Dinge, die wir nicht kennen, kategorisieren. Einmal eine neue Art erkannt, heißt es, sie zu benennen – eine ebenso ehrenvolle wie erfüllende Aufgabe. Dabei pflegt jeder Wissenschaftler zu seinen Arten ein inniges Verhältnis, fühlt sich verantwortlich. So ist es umso tragischer, wenn sehenden Auges eine Art, der man einen Namen gegeben, die man vermessen und wissenschaftlich exakt beschrieben hat, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht ist. Aber woher weiß man überhaupt, ob eine Art bedroht ist?

Letztlich ist alles nur Spekulation

Die Weltnaturschutzorganisation IUCN bietet verschiedene Kriterienpakete, nach denen Arten den definierten Gefährdungskategorien ihrer offiziellen Roten Liste zugeordnet werden können. An sich sehr aussagekräftige und deshalb gerne genutzte Gesichtspunkte wie Populationsgröße und Bestandsentwicklung sind bei großen, auffälligen Tieren wie Nashörnern oder Giraffen die Methode der Wahl. Leider sind sie aber schwer oder gar nicht anwendbar auf kleine, unauffällige oder versteckt lebende Tiere, deren Bestandsgrößen sich nur unverhältnismäßig schwer oder gar nicht ermitteln lassen – so wie bei unserer Klientel, den Reptilien und Spinnen. Hier bleibt oft nur die Größe des Verbreitungsgebietes zur Beurteilung des Gefährdungsgrades. Aber selbst die ist oft unzureichend bekannt.

Ein Bonobo im Lola Ya Bonobo Sanctuary Park, wo durch Buschfleisch-Handel und Abholzung verwaiste Affen betreut werden.
Ein Bonobo im Lola Ya Bonobo Sanctuary Park, wo durch Buschfleisch-Handel und Abholzung verwaiste Affen betreut werden. : Bild: dpa

Etwa im Fall der unscheinbaren Echsenart aus Panama, die wir 2016 als Celestus laf beschrieben haben – anhand nur eines einzigen Tieres. Dessen Fundort liefert nun einen verlässlichen Punkt auf der Verbreitungskarte der Art, aber eben den einzigen, was die Berechnung einer Arealfläche unmöglich macht. Da es sich um einen Vertreter einer generell eher heimlich und verborgen lebenden Gruppe handelt (auch die beiden geographisch benachbarten Schwesternarten sind jeweils zwar aus gut untersuchten Gebieten, aber trotzdem von nur einem Exemplar bekannt), wäre es denkbar, dass Celestus laf in Wahrheit ein großes Gebiet bewohnt, sich aber nirgends wirklich vor uns blicken lässt. Andererseits sind gebirgsbewohnende Arten wie diese oft eher kleinräumig verbreitet. Letztlich alles nur Spekulation, bis weitere Exemplare an anderen Orten auftauchen.

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