Krebsverdacht bei E-Zigaretten : Schwerer Dämpfer für die Dampfer
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An dieser Stelle nun setzt die Arbeit der New Yorker Umweltmediziner an. Während die Akademie noch „begrenzte Belege“ dafür gefunden hat, dass man im Körper von Dampfern ähnlich krebsauslösende Stoffe wie bei Tabakrauchern finden kann – und bisher keine Zellen, die die Eigenschaften von Krebsvorstufen aufweisen – macht die in dieser Woche erschiene Studie aus New York stutzig. Die Umweltmediziner jedenfalls meinen: Viele potentiell krebsauslösende Verbindungen konnte man möglicherweise bisher gar nicht entdecken, weil sie im Blut gemessen werden. Möglicherweise aber entsteht der größte Teil davon in den Zellen und reichert sich dort auch an. Das Team um Hyun-Wook Lee von der NYU School of Medicine hat deshalb genau nachgesehen, was der Nikotindampf zum einen in Zellen von Mäusen auslöst und wie er sich auf Zellkulturen mit menschlichem Lungen-, Herz- und Blasengewebe auswirkt.
Das Resultat dieser Untersuchung dürfte nicht nur die Industrie überraschen, sondern auch die allermeisten Experten: Nikotin selbst, und nicht allein die Nebenprodukte der Tabakverbrennung, könnte krebsauslösende Reaktionen in Gang setzen. Noch vor wenigen Tagen war im „Annual Review of Public Health“ der anderen New Yorker Forschergruppe zu lesen, reines Nikotin verursache „geringe, wenn überhaupt irgendwelche Gesundheitsschäden“. Diese feste Überzeugung vieler Toxikologen bekommt jetzt Risse. Wie die Gruppe um Hyun-Wook Lee herausgefunden hat, wird Nikotin sehr wohl in aggressive Stoffwechselprodukte umgewandelt – zwar längst nicht alles Nikotin wird entsprechend umgewandelt und auch nicht in die gefürchteten erbgutschädigenden Nitrosamine, die man vom Tabakrauch kennt und demzufolge im Blut der Raucher findet. Aber mindestens zehn Prozent des inhalierten Nikotins wird in den Zellen in verwandte chemische Verbindungen verwandelt, die sich für die DNA nachteilig auswirken und auch für einige Proteine, die an der Reparatur von DNA-Mutationen beteiligt sind. Kurz gesagt: Mutationen und gestörte DNA-Reparatur sind möglich.
Welche Art von Schäden? Im Ergebnis sind es in dem untersuchten Lungen- und Blasengewebe ganz ähnliche molekulare Erbgutveränderungen, wie sie nach dem Genuss von Tabakrauch festgestellt werden. Auch im Körper der Mäuse wurden die mutationsauslösenden Verbindungen gefunden.
Nikotin unter Krebsverdacht
Damit ist noch längst nicht bewiesen, dass die von Nikotin verursachten DNA-Schäden wirklich zu Krebs führen können. Dazu ist die Datenlage noch zu dünn. Zudem wird man angesichts der noch recht jungen Technik solche Langzeiteffekte auch frühestens in einigen Jahren oder Jahrzehnten sicher feststellen kennen, denn Krebs ist in den allermeisten Fällen das Ergebnis sehr vieler angehäufter, nicht reparierter DNA-Schäden. Aber die Arbeit der New Yorker Mediziner zeigt, dass noch sehr viel genauer auf die Nikotin-Abbauprodukte im Körper und in den Geweben geachtet werden muss. Ihre Befunde legen zumindest die Vermutung nahe, dass die im Blut von E-Zigarettenrauchern gefundenen winzigen Mengen an Nitrosaminen die Anhäufung von potentiell krebsauslösenden, durch den Nikotinabbau erzeugten Substanzen unterschätzt wird.
„E-Zigaretten wurden als nicht krebsauslösend vermarktet“, schreiben die Wissenschaftler in ihrer PNAS-Veröffentlichung, weswegen sicher inzwischen auch viele Jugendliche – 16 Prozent der 18 Millionen amerikanischen E-Zigarettenkonsumenten – zum elektrischen Glimmstängel greifen. Als Fazit ihrer Studie stellen die New Yorker Forscher fest: „Wir halten es für wahrscheinlich, dass der Dampf aus den E-Zigaretten krebserzeugend ist und E-Zigarettenraucher ein erhöhtes Risiko als Nichtraucher haben, an Lungen- und Blasenkrebs oder an Herzleiden zu erkranken.“