Sicherheitstudie Klimawandel : Die Bundeswehr warnt vor dem Ernstfall
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Braut sich im Nahen Osten und Nordafrika etwas zusammen? Eine Studie der Bundeswehr sieht wegen des Klimawandels Gefahren für Frieden und viele Großprojekte.
Die politische Aufmerksamkeit für den globalen Klimawandel befindet sich auf einem neuen Tiefpunkt. Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf ist das Thema tabu. Bei europäischen Politikern steht die Schuldenkrise im Vordergrund. Und China sorgt sich hauptsächlich um sein Wachstum.
Der klimapolitische Stillstand ruft nun einen neuen Mahner auf den Plan, der auf den ersten Blick wenig mit dem Klimawandel zu tun hat: die deutsche Bundeswehr. Eine bisher unveröffentlichte Bundeswehr-Studie mit dem Titel „Umweltdimensionen von Sicherheit“, die dieser Zeitung vorliegt, warnt vor erheblichen sicherheitspolitischen Risiken, sollte die Welt ihre Sucht nach billigem Erdöl nicht überwinden und der Klimawandel sich ungebremst entfalten.
Verfasst wurde die Studie vom „Dezernat Zukunftsanalyse“ im Planungsamt der Bundeswehr. Dort beschäftigt sich eine Gruppe von Naturwissenschaftlern und Sicherheitsexperten mit kommenden Risiken für Frieden und Wohlstand. Die Studie, die in den nächsten Tagen im Berliner Regierungsviertel verteilt werden soll, nimmt das Jahr 2040 in den Blick. Doch Zeit, so die Autoren, gibt es auf dem Weg dorthin keine zu verlieren. Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, „liegt bereits heute am optimistischen Ende möglicher Klimazukünfte“. Je länger die Herausforderungen nicht ernst genommen und effektive Handlungsansätze verschleppt werden, umso gravierender könnte sich die Zukunft gestalten - auch mit konkreten sicherheitspolitischen Implikationen. Der Klimawandel könne zur Destabilisierung ganzer Staaten beitragen, besonders in politischen Transformationsphasen, heißt es in der Studie.
Den Schwerpunkt legen die Zukunftsforscher der Bundeswehr auf Nordafrika und den Nahen Osten, weil die Region den Vorhersagen zufolge besonders unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben werde. Gehe die Erderwärmung ungebremst weiter, würden Dürren und Wetterextreme häufiger. Vielerorts werde es mehr denn je an Wasser und landwirtschaftlichen Nutzflächen fehlen, zudem seien Küstengebiete vom steigenden Meeresspiegel bedroht. Eine solche Entwicklung wäre bedrohlich, weil Nordafrika und der Nahe Osten für Europa als Energielieferant, Wachstumsmarkt und geographischer Nachbar von großer Bedeutung sei.
In zahlreichen Szenarien arbeiten die Autoren heraus, dass die aktuellen politischen Umbrüche im Gefolge des „Arabischen Frühlings“ sehr stark mit dem Risikofaktor Klimawandel verbunden seien. Die Bundeswehr-Gruppe sieht eine weitere Demokratisierung als Voraussetzung dafür an, dass die Region selbst zum Kampf gegen den Klimawandel beiträgt und mit den unvermeidbaren Veränderungen einigermaßen klarkommt. In mehreren Szenarien schneiden demokratische Staaten deutlich besser dabei ab, klimatische Verwerfungen zu bewältigen, als autoritäre Regime. Das führt zu dem Ausblick für 2040, dass der Klimawandel die Region hart treffen und für massive Instabilität sorgen würde, sollte sich der „Arabische Frühling“ nicht als dauerhaft erweisen.
Zugleich heben die Autoren hervor, dass häufige Wetterextreme just diesen Weg zu demokratischeren Verhältnissen behindern könnte: „Der Klimawandel könnte die durch den Arabischen Frühling angestoßenen politischen Transitionsprozesse zusätzlich belasten und die Konsolidierung demokratischer Strukturen erschweren“, heißt es in der Studie. Dieser Zusammenhang sei auch für Investitionen in erneuerbare Energien wichtig, die als unerlässlich eingestuft werden, um die Region krisensicherer zu machen. Hier gebe es eine „Henne-und-Ei-Problematik“: Große Photovoltaikprojekte zum Beispiel „benötigen zu ihrem Aufbau ein stabiles und sicheres, relativ prosperierendes regionales Umfeld, das aber in Teilen erst mit diesem Aufbau erreicht werden kann“. Ob es ein Vorhaben wie „Desertec“, das Solarstrom-Projekt der deutschen Wirtschaft in den Wüsten Nordafrikas, je schaffen wird, seine Verheißungen wahr zu machen, wollen die Zukunftsforscher der Bundeswehr daher nicht vorhersagen.
Vorsichtige Entwarnung geben sie dagegen bei einem anderen Thema, das eng mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wird. Eine Welle von Umweltflüchtlingen aus Afrika nach Europa sei nach heutigem Kenntnisstand nicht zu erwarten, heißt es in der Studie. Klimaflüchtlinge würden eher über kurze Distanzen unterwegs sein oder nur zu bestimmten Jahreszeiten und auch in Zukunft wohl nur zu einem geringen Teil die gefährliche Reise über das Mittelmeer versuchen. Diese Einschätzung ist allerdings nur aus der europäischen Perspektive beruhigend. Innerhalb Afrikas könnte die Zahl der Flüchtlinge durchaus steigen.