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Klimawandel und Erdpolitik : Ein Limit von zwei Grad Erwärmung ist praktisch Unsinn

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Die Illustration zeigt den ESA-Satelliten CryoSat-2, der ab dem Frühjahr 2010 Daten zum Klimawandel sammeln soll.

Die Illustration zeigt den ESA-Satelliten CryoSat-2, der ab dem Frühjahr 2010 Daten zum Klimawandel sammeln soll. Bild: dpa

Drei große deutsche Geoinstitute stellen sich quer zur internationalen Klimapolitik. Statt nur über Temperaturen und Emissionen sollte über ein Erdsystemmanagement verhandelt werden, sagen die drei Direktoren. Im Gespräch erläutern sie ihre Motive.

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          Drei große deutsche Geoinstitute stellen sich quer zur internationalen Klimapolitik. Statt nur über Temperaturen und Emissionen sollte über ein Erdsystemmanagement verhandelt werden, sagen die Direktoren Karin Lochte, Reinhard Hüttl und Volker Mosbrugger. In Kürze soll das Thema auf der gemeinsamen Konferenz „Klima im System Erde“ besprochen werden. Im Gespräch erläutern sie ihre Motive.

          Die Klimadiplomatie hat formuliert, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad über das vorindustrielle Niveau steigen zu lassen. Warum kritisieren sie das in der Einladung zu Ihrer Konferenz?

          Mosbrugger: Es ist zwar sinnvoll, sich ein Ziel vorzugeben, aber niemand wird Ihnen sagen können, ob mit dessen Erreichen das Problem gelöst ist. Das ist die eine Sorge. Wir wissen zu wenig, um sagen zu können, wo die Schwellenwerte für die wichtigsten Klimaelemente liegen. Das Problem, vor dem wir stehen, ist viel komplizierter als nur ein Klimawandel. Wir müssen das gesamte System in Betracht ziehen. Wenn ich das Zwei-Grad-Ziel erreiche und alle Tropenwälder abgeholzt sind, habe ich nicht unbedingt den Planeten, den die Gesellschaft haben will.

          Hüttl: Das Klima ist dynamisch. Im Laufe der Erdgeschichte gab es immer wieder dramatische Veränderungen, die weit über eine solche Grenze von plusminus zwei Grad hinausgingen. Und das war allein auf natürliche Faktoren zurückzuführen. Wir haben diese Faktoren heute nicht abgeschaltet, sie wirken weiter. Keiner von uns bestreitet den menschgemachten Anteil am globalen Wandel. Aber: Obwohl die Begrenzung der anthropogenen Einflüsse unbedingt notwendig ist, erreichen wir damit keine Klimakonstanz.

          Lochte: Klar ist, wir müssen handeln und die Kohlendioxidemissionen veringern. Aber wir wissen nicht, ob die angestrebte Reduktion auch tatsächlich eine Sicherung einer lebenswerten Welt auf allen Teilen dieser Erde bedeutet. Das ist regional sehr unterschiedlich. Wir haben einige Gebiete, die sich viel schneller erwärmen als andere.

          Wie gut sind denn die Belege für einen historisch engen Zusammenhang zwischen den Temperaturschwankungen und dem Kohlendioxidgehalt der Luft?

          Lochte: Wir haben Klimaarchive in Meeressedimenten, in Korallen, Baumringen, aber auch in Eiskernen, in denen kleine Luftblasen eingeschlossen sind. Diese Luft ist Jahrtausende, sogar Hunderttausende von Jahren alt. Dort finden wir sehr gute Hinweise darauf, wie sich die Temperatur verändert hat und parallel dazu, wie sich der Kohlendioxidgehalt und eine ganze Reihe verschiedener anderer Parameter verändert haben.

          Hüttl: Wir untersuchen auch die Sedimente von Binnenseen. Aus den darin abgelagerten Pollen können wir Veränderungen in der Vegetation entdecken, aus Pollen-und Algenablagerungen Rückschlüsse ziehen auf Niederschläge und Temperaturveränderungen.

          Lochte: Natürlich müssen die Werte kalibriert werden durch aktuelle Messungen. Außerdem verlässt man sich nie auf einen dieser sogenannten Proxys allein, man hat immer mehrere, die auch die gleiche Geschichte erzählen müssen. Wenn es eine Veränderung in der Temperatur gegeben hat, dann muss es eine Veränderung in der Eisbedeckung gegeben haben und gleichzeitig eine Veränderung im Wasserzyklus gegeben haben. .

          Würden sie also sagen, diese Klimazeugen sind zuverlässig? Dem Laien erscheinen sie oft als rein akademische Konstrukte?

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