Klimaforschung : Wie man Wissenschaft im Regen stehen lässt
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Sind die Auswirkungen des Klimawandels beherrschbar - zumindest in Deutschland? Bild: dpa
Klimakatastrophe? Forschen wir erst einmal weiter, sagt die nationale Technik- Akademie. Und provoziert mit einem Papier einen Eklat.
Obwohl der Wissensstand der Klimaforschung mittlerweile weit entwickelt ist, kann sich die Einschätzung bezüglich Detektion und Attribution zukünftig zumindest theoretisch noch ändern.“ Dieser Satz kann heißen: Wir wissen noch immer nicht, ob der beschleunigte Klimawandel wirklich vom Menschen verursacht wird, oder ob nicht irgendwann vielleicht herauskommt, dass es doch vor allem die Sonne, der Vulkanismus oder die Landnutzungsänderungen einer wachsenden Menschheit sind, die die globale Erwärmung antreiben.
Er kann aber genauso bedeuten: Wir sollten dringend mehr forschen. Für letzteres spricht der Satz, der darauf folgt: „Die diesbezüglichen Aussagen stehen, wie wissenschaftliche Ergebnisse überhaupt, unter dem Vorbehalt des ,derzeitigen Wissens’, insbesondere, weil gerade zu dieser Problematik intensiv geforscht wird.“ Wohlgemerkt: „Derzeitiges Wissen“ in An- und Abführung geschrieben. Und stehen Forschungsergebnisse nicht grundsätzlich unter dem Vorbehalt des aktuellen Wissensstandes - welches wertvolle künftige Wissen sollte man wohl heranziehen, wo selbst Analogien zur Erdgeschichte nirgends im weiten Kosmos in Sicht sind?
Man merkt an solchen Merkwürdigkeiten, dass das 39-seitige Positionspapier „Anpassungsstrategien in der Klimapolitik“, das die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften, kurz Acatech, Ende Oktober in Berlin präsentieren will, zu Fehlinterpretationen geradezu einlädt. Tatsächlich hat es schon für einigen Wirbel gesorgt. Und dies nicht erst, seitdem durch eine Indiskretion bekannt geworden ist, dass die Akademie ein Papier herausbringt, das die Auswirkungen des Klimawandels zumindest für Deutschland als „grundsätzlich beherrschbar“ und eben nicht unbedingt als katastrophal einstuft. Diese besänftigende Botschaft dürfte niemanden beruhigen oder auch nur überraschen, der sich insbesondere mit den drohenden und möglicherweise viel dramatischeren Auswirkungen in anderen - mehrheitlich weniger wohlhabenden - Regionen beschäftigt.
Die eigentliche Brisanz liegt in dem symbolischen Austritt von vier Mitgliedern der Acatech-Arbeitsgruppe im vergangenen Juni - nach fast einem Jahr, in dem die arrivierten Klimaforscher Hans von Storch und Wolfgang Cramer sowie Paul Becker vom Deutschen Wetterdienst und Jürgen Schmid vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik an dem Papier intensiv mitgearbeitet hatten. Der Hauptgrund, neben fehlender „Tiefe“ in der Behandlung von Anpassungsfragen an den Klimawandel: „Die Unterschiede bei der Einschätzung der Belastbarkeit der Ergebnisse der physikalischen Klimaforschung.“ Konkret gesprochen: Die vier Wissenschaftler meinten am Ende in dem Papier nicht mehr ausreichend den Stand der Wissenschaft wieder zu finden und dahinter quasi ein Dokument der klimapolitischen Verharmlosung zu erkennen.
„Die bestehenden Klimamodelle sind sicher nicht perfekt“, heißt es in einer Stellungnahme der vier zu ihrem Austritt unter Protest, „dennoch, die wesentlichen Fragen an die physikalische Klimaforschung sind weitgehend beantwortet.“ Nachzulesen wäre der Stand des Wissens auch in den Berichten des Weltklimarates IPCC. Doch die Expertise des IPCC spielt in dem Acatech-Papier keine Rolle, das internationale Wissenschaftlergremium kommt praktisch nicht vor.
Und so kam es, dass Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht als publikationsfreudiger Forscher zwar auch noch in der Endfassung des Berichtes mit seinen bekanntermaßen vorsichtigen Einschätzungen zum Klimawandel zitiert wird, er aber seinerseits im Nachhinein vom „Eindruck der Instrumentalisierung“ durch die Acatech spricht und sich nun energisch distanziert.
Für den Präsidenten der Acatech, Reinhard Hüttl, der als Chef des Geoforschungszentrums Potsdam selbst an dem Papier mitgearbeitet hat, ist man hingegen klimapolitisch klar auf der Linie der etablierten Klimaforschung - inklusive der anderen Nationalakademien (siehe Interview). Den vierfachen Austritt macht er vielmehr an einem einzigen Namen fest: Fritz Vahrenholt, RWE-Manager und Autor eines umstrittenen Buches, in dem der Klimawandel durch Treibhausgase in Frage gestellt wird, war anfangs in einer Koordinierungsfunktion der Acatech-Gruppe, trat dann aber nach dem Erscheinen seines Buches und der Intervention von Storch und anderen ins zweite Glied zurück. Die Spaltung der Gruppe hat das nicht verhindert. Der Geruch der klimapolitischen Bagatellisierung hatte sich da offenbar schon zu stark verbreitet.