H7N9: Neue Vogelgrippe-Variante : „Eine Pandemie könnte sich entwickeln“
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Hühnerhalter in China. Die Tiere erkranken selten an den 2013 erstmals stark aufgetretenen H7N9-Viren, übertragen aber andere Hühner sehr effizient. Bild: REUTERS
„Beunruhigend“ findet der Marburger Influenza-Forscher Hans-Dieter Klenk, wie sich das H7N9-Virus in den ersten Wochen in China ausgebreitet hat. Eine neue Veröffentlichung aus China gibt Spekulationen neue Nahrung.
Die chinesische Gesundheitsbehörde ist endgültig alarmiert: Im Januar hat man schon annähernd 130 Infektionen mit dem Vogelgrippevirus H7N9 registriert, fast genau so viel wie im gesamten Frühjahr 2013, darunter sind fast zwei Dutzend Todesopfer und im Osten und Süden Chinas breiten sich die Viren in den Geflügelbeständen bis an die Grenzen aus. Und nun noch auch dieses Statement: „Unsere Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass sich eine Pandemie ausbreiten könnte“.
Das Zitat stammt aus der jüngsten Veröffentlichung, die das nationale „Center for Disease Control and Prevention“ in Peking vor wenigen Stunden auf der Publikationsplattform „Eurosurveillance“ herausgegeben hat. Was dort erscheint, hat höchste Priorität für Infektiologen weltweit. Inhalt des Artikels sind die genetischen Analysen von Proben aus elf Provinzen und Städten des Landes. Das Ergebnis gibt den Virusforschern zu denken - insbesondere, was die genetischen Varianten aus den Provinzen Zhejiang, Guangdong und Jiangsu betrifft. Offenbar ist es seit dem März 2013 zu Neukombinationen gekommen, sogenannten Reassortanten“, die - so die chinesischen Wissenschaftler - „die Viren anpassungsfähiger und pathogener“ macht. Mit anderen Worten: Die Viren sind gefährlicher für den Menschen geworden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in ihrem aktuellen Dossier vom heutigen Freitag über drei acht weitere klinische Einweisungen berichtet (drei Patienten im kritischen Zustand) behält trotzdem die Warnstufe bei: „Die Risikolage hat sich nicht verändert.“ Das spiegelt vor allem die Infektiosität zwischen Menschen wieder: „Bisher ist eine leichtere Übertragung von Mensch zu Mensch nicht zu erkennen“, so die WHO. Die Übertragung geschieht immer noch fast ausschließlich durch Kontakt mit infiziertem - aber selten selbst erkrankten - Geflügel.
Verschleppte Erreger
Das ist jetzt zum ersten Mal auch auf einer Geflügelfarm in Malaysia beobachtet worden. Mit den Vögeln wird das Virus offenbar immer effizienter verschleppt. Auch durch Reisen von Infizierten beobachtet man immer wieder Verschleppungen der Erreger, wie bei dem jüngsten Fall eines 65jährigen Mannes, der sich offenbar durch ein Schlachthühnchen in Kaiping in Guangdong angesteckt und die Viren dann nach Hong-Kong verschleppt hat, wo er wenige Tage später mit hohem Fieber in die Klinik eingewiesen wurde. Dass der Mann allerdings Familienangehörige angesteckt haben könnte, wird derzeit ausgeschlossen.
Die Übertragung zwischen Menschen wird auch durch die neuen chinesischen Analysen der Viren nicht konkret in Frage gestellt. Den Forschern bereitet aber Kopfzerbrechen, dass sich inzwischen offenbar sechs Gene aus dem Influenzavirus-Stamm H9N2 insbesondere in den in Zhejiang verbreiteten Viren eingekreuzt haben. Diese Varianten sind inzwischen auch in der Region Shanghai, in Guangdong und Hong-Kong aufgetaucht. „Es ist dringend erforderlich, die Überwachung dieser Virusvarianten nun zu verstärken“, schreiben die Wissenschaftler.
Vorsicht mit Pandemiewarnungen
Das glaubt auch der Marburger Virologe, Hans-Dieter Klenk, einer der weltweit besten Kenner der H7N9-Genetik. „Die Gefahr einer Pandemie durch neue H7N9-Rekombinanten halte ich für klar größer als durch die jüngst aufgetauchten Influenza-Stämme H10N8 oder H6N1.“ Solche neuen Funde seien vor allem darauf zurück zu führen, dass die chinesische Infrastruktur zur Analyse der Viren immer besser ausgebaut würde. Klenk ist auch nach dem Bericht über neue H7N9-Mutationen vorsichtig: „Gene von H9N2 hat man in den letzten Jahren schon mehrfach entdeckt, in H7N9, aber auch in H10N8. Deshalb wäre ich vorsichtig mit Pandemiewarnungen“, sagt Klenk.
Das Problem allerdings ist, dass er und seine Kollegen nicht genau definieren können, mit welchen Mutationen genau sich ein Virus sich genetisch zu einem pandemiefähigen Erreger entwickelt. “Dazu brauchen wir epidemiologische Daten. Wenn wir Cluster, also Häufungen, finden, kann schnell eine gefährliche Situation entstehen.“ Reichen die neuen Zahlen mit vermehrten Ansteckungen in den ersten Wochen des Jahres vor allem in der östlichen Provinz Zhejiang? Klenk: „Die Häufung ist schon beunruhigend.“ Solange allerdings fast nur sporadische Infektionen nach Geflügelkontakt auftreten und die Mensch-zu-Mensch-Übertragung so extrem selten ist wie in den zurückliegenden Monaten, fehlen ihm Hinweise auf eine akute Gefahr.