Grönland und die neue Arktis : Unter dem Eis
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Forschungsschiff „MS Merian“ im Nordpolarmeer. Bild: Universität Tromso
Das Nordpolarmeer wird mit dem Schwinden der Eismassen zur Kampfzone. Die Einwohner Grönlands geben Traditionen auf, hoffen auf neue Industrien und Wohlstand mit dem Verkauf von Rohstoffen. Sogar dem Uranabbau hat man zugestimmt. Was wird aus den Inuit?
TromsØ, Anfang Februar
Im Restaurant Roklubben ist die Winterpause vorbei. Jetzt gibt es sonntags wieder das üppige Grönlandbüffet mit Walspeck, Rentierfleisch, geräuchertem Heilbutt und einem speziellen Getränk, mit dem der Inhaber Kim Jørgen Ernst seine Gäste in dem roten Containerbau willkommen heißt. Das Besondere an seinem Trunk ist eine kleine Erdbeere. Sie ist in der Nähe gewachsen, in einem Gewächshaus in Kangerlussuaq, einer 500-Einwohner-Siedlung im Westen Grönlands, knapp oberhalb des nördlichen Polarkreises.
Das Gewächshaus gehört Kim Jørgen Ernst. Der Hobbygärtner züchtet darin nicht nur Erdbeeren, sondern auch Strauchtomaten, Buschgurken und Rhabarber. Nebenan, im Freilandbeet, wird Ernst im Mai Kartoffeln einpflanzen und hoffen, dass er im September wieder den Vorjahresrekord brechen kann. „Die Erträge steigen von Jahr zu Jahr“, berichtet der Däne, der seit 1999 in Grönland lebt.
In Grönland ist der Klimawandel überall sichtbar. Die weltgrößte Insel erwärmt sich doppelt so schnell wie andere Weltgegenden. Ihr Eisschild schmilzt rasant - inzwischen ist eine Fläche größer als Deutschland eisfrei. Im Süden ernten die Bauern Heu und züchten Schafe, in den Supermärkten der Hauptstadt Nuuk kann man im Sommer Gemüse aus der Region kaufen.
„Die größten Erfolge konnten wir bisher mit Kartoffeln und Kohl erzielen“, sagt Josephine Nymand vom Greenland Institute of Natural Resources in Nuuk. Doch noch reicht die eigene Produktion nicht aus, um die 57000 Grönländer zu ernähren. Gleichzeitig liefern Jagd und Fischerei, die traditionellen Lebensgrundlagen, immer weniger Erträge. Die meisten Nahrungsmittel werden importiert - aus Dänemark, zu dem Grönland gehört.
Die Insel hängt an der Nabelschnur der früheren Kolonialmacht. Mehr als die Hälfte des Staatsbudgets kommt aus Kopenhagen: Knapp 500 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr. Dabei ist Grönland seit 2009 weitgehend selbständig. Nur noch in den Bereichen Außenpolitik, Sicherheit und Finanzen hat Dänemark das Sagen.
Aleqa Hammond will das ändern. Sie wolle die Unabhängigkeit ihrer Heimatinsel selbst erleben, hat die 48-jährige grönländische Premierministerin früher oft betont. Inzwischen äußert sich sie vorsichtiger. „Das langfristige Ziel unserer Politik ist die Unabhängigkeit“, sagte Hammond kürzlich auf der Konferenz Arctic Frontiers im norwegischen Tromsø. Dorthin waren mehr als tausend Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter, Diplomaten und Regierungsvertreter vieler arktischer und nichtarktischer Länder gekommen, um über die Zukunft der Nordpolarregion zu diskutieren. Bei der inzwischen achten Folge der Konferenzreihe stand das Thema Menschen in der Arktis im Fokus.
Ein Höhepunkt war zweifellos der Auftritt der eleganten, charismatischen Aleqa Hammond. Seit April vergangenen Jahres ist die Inuit-Frau Regierungschefin. Der Klimawandel eröffne neue Chancen, sagte Hammond kämpferisch, und sie wolle, dass ihr Volk davon profitiere. Denn politisch unabhängig wird Grönland erst, wenn es auch wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen kann.