https://www.faz.net/aktuell/wissen/geist-soziales/wie-caspar-hirschi-vor-politisierung-virologischer-expertise-warnt-17683142.html

Caspar Hirschis Expertenkritik : Politisierung von Expertise? In der Pandemie auf jeden Fall!

  • -Aktualisiert am

Am 22. Januar 2021 traten Lothar Wieler und Christian Drosten gemeinsam vor der Bundespressekonferenz auf. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts konnte seine Mitgliedschaft in der Leopoldina nicht an der Garderobe abgeben. Bild: Imago

Der Historiker Caspar Hirschi warnt beharrlich vor dem politischen Missbrauch virologischer Expertise. Er betreibt die Skandalisierung, die er selbst erforscht hat. Seine Argumentation weist Lücken auf.

          7 Min.

          In der Debatte um die Pandemiepolitik ist der Verdacht der Hofberichterstattung, den die Massenmedien an die eigene Adresse richten, zu einem durchgängigen Motiv geworden. Eine originelle These in diesem Zusammenhang hat der Historiker Caspar Hirschi an verschiedenen Orten, darunter auch in der F.A.Z., entwickelt und zuletzt in einem Vortrag auf einer Veranstaltung der Rudolf-Augstein-Stiftung zugespitzt, der in der Wochenzeitung „Freitag“ abgedruckt wurde. Für Hirschi ist die „Totalisierung der Expertenrolle“ wesentliche Triebfeder der Vereinseitigung des öffentlichen Diskurses. Der Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität St. Gallen ist für das Thema als Verfasser des Buches „Skandalexperten, Expertenskandale. Zur Geschichte eines Gegenwartsproblems“ ausgewiesen. Leider ist die seiner These zugrundeliegende Argumentation an mehreren Punkten inkohärent. Hirschis Fokus auf das vermeintliche kommunikative Fehlverhalten der Produzenten „engagierter Expertise“, die als „Regierungspropaganda“ genutzt werde, lenkt auch von der schwachen politischen Argumentation der Maßnahmenkritiker ab.

          Das Kernargument Hirschis ist prägnant: Experten überschritten ihre eigentliche Funktion, die Bereitstellung von wissenschaftlichem Wissen als politischer Entscheidungsgrundlage. Statt sich darauf zu beschränken, nährten sie die Illusion, aus ihren Schlüssen ließen sich eindeutige politische Forderungen ableiten. Zudem trügen sie den Kampf um die wissenschaftliche Deutungshoheit auch massenmedial aus. Dadurch gehe das Wissen um den kategorialen Unterschied von wissenschaftlichem Wissen und Werten, über die politisch gestritten werden müsse, verloren. Damit verknüpft schwinde jedoch auch das Bewusstsein, dass man über Politik streiten könne, wenn man wissenschaftlich einer Meinung sei. Dies führe zu einer „intoleranten Bitterkeit“, sodass Maßnahmenkritiker als Coronaleugner diffamiert würden und sich auch deswegen radikalisierten.

          Testen Sie unser Angebot.
          Jetzt weiterlesen.
          Testen Sie unsere Angebote.
          F.A.Z. PLUS:

            FAZ.NET komplett

          Diese und viele weitere Artikel lesen Sie mit F+
          Marie lebt in Palma – und das schon seit 14 Jahren. Integriert ins mallorquinische Inselleben ist sie trotzdem nicht.

          Ruhestand im Süden : Wenn alle Freunde weg sind

          Wandern deutsche Rentner aus, erfüllen sie sich einen Traum. Doch im neuen Umfeld Anschluss zu finden, gelingt nicht automatisch. Ein Besuch auf Mallorca bei Marie, die seit drei Jahren einsam ist.
          Die Yacht „Luna“ des angeblichen Fluchers Farchad Achmedow wurde im vergangenen Jahr im Hamburger Hafen festgesetzt.

          Flüche gegen Russlands Führung : Wie Kakerlaken im Glas

          Ein angeblicher Gesprächsmitschnitt zweier Mitglieder der russischen Elite sorgt für Aufruhr. Darin wird Präsident Putin unter anderem als „Satan“ bezeichnet.