Sie stellen die Realität der Realität in Frage
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Schlafschafe und Schmeißfliegen: Konsistent ist die Welt der Corona-Leugner nicht – Karnevalswagen in Köln. Bild: EPA
Wenn sich Widerstand erschöpft in entdifferenzierter Kritik an allem, was die Realität ausmacht: Theorien von Ulrich Beck und Luc Boltanski eröffnen soziologische Perspektiven auf Querdenker und andere Corona-Rebellen.
Viele sind über die Corona-Rebellen entsetzt, über ihre politischen Anliegen, aber vor allem über ihre alltägliche Praxis der Verweigerung der Abstands- und Hygieneregeln. Auf den Demonstrationen der „Querdenker“ versammelt sich eine bunte Mischung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die politische Wahrnehmungsroutinen irritiert. Die Demonstranten beharren auf dem Versammlungs-recht auch unter den Bedingungen der Pandemie, während die politische Linke sich nur leise krittelnd hinter der Regierungslinie einreiht. Nüchtern betrachtet, betreiben die Corona-Rebellen zivilen Ungehorsam. In subversiver Absicht unterlaufen sie Regeln, um in die Speichen staatlicher Herrschaft zu greifen.
Allerdings hat ihr Protest Nebenrisiken, die sie von den meisten herkömmlichen sozialen Bewegungen drastisch unterscheiden: Ihre Praxis der Maskenverweigerung führt nicht nur zu einer Gesundheitsgefährdung ihrer selbst, sondern auch von Dritten. Aus ihrer Sicht handelt es sich um legitimen Nonkonformismus gegen einen anmaßenden Staat. Zwar handelt es sich bei der „Querdenken“-Bewegung nur um eine kleine Minderheit der Bevölkerung. Allerdings deutet die verbreitete Nichteinhaltung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum darauf hin, dass die praktische Zustimmung weitaus größer ist, als sich auf den Demonstrationen zeigt. Dieser Alltagswiderstand richtet sich nicht nur gegen das Regierungshandeln im Besonderen, sondern auch gegen die Gesellschaft als normsetzendes Ganzes, dem man sich nicht unterwerfen will.
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