Alt-katholische Synodalität : Rede, und tu, was du willst!
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Synodalität muss erklärt werden: Dieses Bild illustriert den niederländischen Brauch kollegialer Kirchenlenkung im elften Band eines 1742 in Venedig gedruckten Überblickwerks über die Sitten der Völker. Bild: Wikimedia Commons
Reformerische Gewinne, ökumenische Verluste: Lehren aus alt-katholischen Erfahrungen für den Synodalen Weg.
Ist es nur die verhältnismäßig kleine Zahl der Anhänger, die die Altkatholiken am Rand des ökumenischen Interesses stehen lässt, überhaupt im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung – im Unterschied etwa zur evangelischen Kirche? Seit im vorigen Monat der Speyerer Generalvikar Andreas Sturm seinen Übertritt zur Alt-Katholischen Kirche mitteilte, nimmt die Aufmerksamkeit für diese im Umfeld des Ersten Vatikanischen Konzils entstandene Reformbewegung wieder leicht zu. Frauenordination, Zurückstufung der päpstlichen Autorität und andere strittige Forderungen der teilweise fünf Jahrzehnte alten Reformagenda im Katholizismus sind dort bereits verwirklicht. Zum deutschen alt-katholischen Bistum gehören derzeit etwa 15.000 Mitglieder in sechzig Pfarrgemeinden, die sich über größere Gebiete wie Diasporagemeinden erstrecken. Überraschend wirkt die Beobachtung, dass zwischen römisch-katholischer und alt-katholischer Kirchenlehre Gemeinsamkeiten bestehen, die es dergestalt mit den meisten Protestanten nicht gibt.
Bezeichnend war 2017 die Antwort des alt-katholischen Bischofs Matthias Ring auf eine Frage von „katholisch.de“, dem offiziellen „Nachrichtenportal“ der katholischen Kirche: „Steht der Ökumene nicht vor allem das unterschiedliche Eucharistieverständnis im Weg?“ Unterscheidend erwiderte der Bischof: „Das sehe ich nicht so. Wir Altkatholiken glauben an die bleibende Realpräsenz, also daran, dass Jesus in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist. Die sogenannte Transsubstantiationslehre lehnen wir als verbindliches, spezielles Erklärungsmodell dafür ab, persönlich neige ich ihr aber zu. Ansonsten ist unser Amts- und Eucharistieverständnis – mit Ausnahme der Frauenordination – identisch mit dem römisch-katholischen.“ Identisch? Gilt dies neben dem Eucharistieverständnis tatsächlich auch für das Amtsverständnis?
So einfach sieht es hinter der Nomenklatur dann doch wieder nicht aus. Unübersehbar entfacht die bischöflich-synodal genannte Kirchenordnung der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen, wie deren Name in historisch korrekter Herleitung lautet, antihierarchische Dynamiken, die sie in neue Gegensätze zur römisch-katholischen Kirche bringt. Unter der Überschrift „Synodalität in der alt-katholischen Kirche“ (in: Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts Bensheim, Band 73, Heft 2, 2022 / De Gruyter) lotet Andreas Krebs, Professor für Alt-Katholische und Ökumenische Theologie an der Universität Bonn, das Gewicht der bischöflichen Autorität in seiner Kirche aus. Er möchte damit auch zur Schärfung des Begriffs der Synodalität beitragen, wie er derzeit römisch-katholischerseits kontrovers diskutiert wird.
Eine Jurisdiktionsgewalt des Bischofs gibt es nicht
Krebs resümiert zunächst wichtige alt-katholische Lehrentwicklungen im Zeichen der bischöflich-synodalen Kirchenverfassung, die im Konfliktfall „am Ende doch ein deutliches Übergewicht zugunsten synodaler Strukturen aufweist“. Anders gesagt: Eine Jurisdiktionsgewalt des Bischofsamtes im römisch-katholischen Sinne gibt es bei den Alt-Katholiken nicht. „Obwohl in einer aktuellen Kirchenkunde zu lesen ist, die alt-katholische Kirche besitze eine hierarchische Kirchenstruktur, ist dies von der Wirklichkeit sehr weit entfernt. Die herausgehobene Stellung der Person im Bischofsamt hat vor allem eine theologische und moralische Dimension, aber kaum eine juridische.“ In diese Richtung (juridische Depotenzierung des Weiheamts) scheint auch auf die beim deutschen Synodalen Weg jüngst ins Spiel gebrachte „freiwillige Selbstbeschränkung“ des bischöflichen Amtes zu zielen, durch welche sich die kirchenrechtlich verankerte Jurisdiktionsgewalt des Weiheamtes vom Amtsinhaber selbst ausbremsen lassen würde. Eine schlitzohrige Fiktion, gegen die zuletzt der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn mit einer theologischen Grundlegung von Synodalität Einspruch erhob.
Welche alt-katholischen Entwicklungen möchte Krebs betonen, die es ohne die Dominanz „des Synodalen“ über „das Bischöfliche“ nicht gegeben hätte? Festzuhalten bleibe zunächst dies: Nach vereinzelten episkopalen Treueerklärungen zum Nationalsozialismus habe sich die alt-katholische Kirche in der Nachkriegszeit „wieder zu einer weltoffenen, dialogischen, trotz ihrer Kleinheit vielseitigen Kirche“ entwickelt. Dazu gehöre, dass die Ökumene mit der anglikanischen Gemeinschaft mit Leben gefüllt und ein umfassender Lehrkonsens mit der Orthodoxie erreicht worden sei. Seit 2017 bestehe Kirchengemeinschaft mit der Lutherischen Kirche von Schweden.