Wer zahlt, befiehlt: Eine Rechtsmaxime, die Hans Holbein wohl nicht befolgen musste, als er Thomas Morus malte. Bild: Interfoto
Der machiavellistische Moment
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Thomas Cromwell, der Held von Hilary Mantels Tudor-Romanen, ist Jurist und hält nichts von Prinzipien. Drei Kommentatoren fragen, wie man das zu verstehen hat.
Woran erkennt man die Qualität eines historischen Romans? Man möchte meinen: am Wiedererkennungseffekt. Es ist aber gar nicht die Geschichte selbst, die man wiedererkennt, wenn man spontan Grund zu haben meint, der unter penibler Beachtung von Gattungskonventionen konstruierten Erzählung Glaubwürdigkeit zuzusprechen. Die Geschichte, die Gegenstand des Romans ist, kennt man ja gar nicht beziehungsweise nur aus anderen Darstellungen, Romanen, die man früher gelesen hat, Filmen oder Büchern der Geschichtswissenschaft. Plötzlich authentisch wirkt ein solches Kunstprodukt wohl genau dann, wenn man die eigene Geschichte gespiegelt sieht, auf eine Analogie zu persönlichen Erfahrungen stößt, mit der man wegen des Abstands der Zeiten nicht im Traum gerechnet hätte. Man liest dann den ganzen Roman mit neuen Augen, und Finderglück verzinst sich als Entdeckerfreude.
Ein solches Erlebnis könnte den Aufsatz inspiriert haben, den David Kenny von der Law School des Trinity College Dublin in der Zeitschrift „Law and Literature“ (Bd. 43, 2022) über die Tudor-Trilogie von Hilary Mantel veröffentlicht hat, die am heutigen Mittwoch ihren siebzigsten Geburtstag feiert: „The Human Pared Away: Hilary Mantel’s Thomas Cromwell as an Archetype of Legal Pragmatism“.
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