Gleichstellungspolitik : Genderlogik
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Auf dem Weg zur Gleichstellung? Eine grüne Ampelfrau ersetzt im bayerischen Sonthofen das klassische Ampelmännchen. Bild: dpa
Neue Studien zeigen, dass Frauen in der Wissenschaft unterrepräsentiert sind. Aber brauchen wir deswegen eine Frauenquote für akademische Publikationen? Eine Glosse.
Die fehlende Gleichheit der Geschlechter sorgt regelmäßig für Aufregung. Ein beliebter Ort, um Fehden über geschlechtsspezifische Benachteiligung auszutragen, ist die Wissenschaft. Geschmäht als Institution der Ungleichheit schlechthin, macht sie aus der Not eine Tugend und kürt zum Forschungsgegenstand, was die beschworene Systemkrise verursacht: Warum und zu welchem Zwecke studieren und etablieren wir Gender Studies, Gleichstellungsbeauftragte und Gender-Barrieren, die mit beeindruckender Kreativität umgangen oder aber in grotesker Weise auf die Spitze getrieben werden? Da gibt es einerseits Berufungskommissionen, denen es ausreicht, wenn das Wort „Gender“ in der Publikationsliste eines männlichen Bewerbers auftaucht – natürlich ohne die entsprechende Publikation gelesen zu haben, schließlich geht Quantität vor Qualität –, um die Gleichstellung für verwirklicht zu erklären. Und da gibt es andererseits diskursive Dynamiken im Gewand eines vermeintlichen „Gendermainstreamings“, die die Gleichstellungskarte auch dort spielen, wo sie gar nichts verloren hat.
Eine neue Studie aus der amerikanischen Philosophie legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Ihr Befund ist, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, deckungsgleich mit dem, was kürzlich eine Erhebung aus der Astrophysik in der Zeitschrift „Nature“ dokumentierte: Frauen sind in akademischen Publikationen unterrepräsentiert. Demnach lag zwischen 2004 und 2015 der Frauenanteil unter den Autoren in 25 renommierten philosophischen Zeitschriften bei 14 bis 16 Prozent. Das sind rund zehn Prozent weniger, als Frauen in philosophischen Fakultäten vertreten sind. In der Astrophysik erhalten Frauen laut neuesten Berechnungen rund zehn Prozent weniger Zitationen als Männer, obwohl die Qualität ihrer Publikationen sich nicht von der ihrer männlichen Kollegen unterscheidet.
Die Erfolgslogik des zeitgemäßen Wissenschaftsmanagements
Nun funktioniert die Erfolgslogik des zeitgemäßen Wissenschaftsmanagements aber so: Je mehr Publikationen in renommierten Zeitschriften, desto besser der eigene Zitationsindex, desto größer die Chancen auf eine attraktive Professur. Die Autoren der „Philosophical Studies“ regen deshalb an, für jeden wissenschaftlichen Text einen „Bechdel-Test“ zu machen: Wurden mindestens zwei Philosophinnen zitiert und mindestens eine davon sinnvoll im Text rezipiert, und wird mindestens eine deshalb zitiert, weil sie die Arbeit derselben oder einer anderen Frau, auf keinen Fall aber die eines Mannes, diskutiert? Wer alles mit „ja“ beantworten kann, hat den Test bestanden. Wie mit solchen absurden, der Spielfilmanalyse entnommenen Kriterien die wissenschaftliche Qualität eines Textes gewährleistet werden soll, bleibt wohl ein großes Gender-Geheimnis, dessen Originalität – so viel muss man den Autoren lassen – die naturwissenschaftliche Nüchternheit, mit der die Genderkluft zuletzt in der Astrophysik analysiert wurde, um ein Vielfaches übersteigt.
Nicht weniger absurd ist die Idee, eine Frauenquote in Publikationen einzuführen. Richtig: Wenn jemand eine Stelle erhält nur aufgrund seines Geschlechts und nicht wegen seiner Fähigkeiten, ist das gegenüber denjenigen, die talentierter sind, ungerecht. Und in der Tat beschreibt genau das die jahrhundertelange Praxis des Patriarchats und nicht die historisch noch junge Frauenquote. Den Spieß aber generell umzudrehen und jede noch so kleine Kleinigkeit mit fehlenden Frauenanteilen zu beziffern, würde bedeuten, die geschlechtsspezifische Konnotation fortzuschreiben, anstatt die Wissenschaft endlich wieder inhaltlich auszufüllen und ihr die Kreativität zurückzugeben, die ihr seit dem Aushöhlungsprozess der Bologna-Reform verlorengegangen ist.