Soziale Exklusion ist für die heutige Soziologie anscheinend ein unverzichtbares Konzept, vielleicht sogar so etwas wie eine Leitdifferenz der aktuellen Gesellschaftsforschung. Dabei geht es um Erfahrungen des Verlustes von Zugehörigkeit, um Marginalisierung und Prekarisierung der eigenen Lebensverhältnisse. Fatal erscheint soziale Exklusion auch deshalb, weil damit nicht nur eine sozioökonomische Entwertung des eigenen Lebens gemeint ist, sondern eine Abwärtsdynamik: Auf den Jobverlust folgt die Armut, dann die soziale Isolation und schließlich die Absonderung der Betroffenen. Neben dem Ausschluss aus dem Erwerbsleben und die damit verbundene Lebenslage der ökonomischen Armut tritt die zunehmende gesellschaftliche Isolation. Exklusion scheint nur eine Richtung zu kennen: Nach unten, wo sich dann zur objektiven Lage auch das subjektive Gefühl des Ausgeschlossenseins einstellen muss.
Die Forschung zur sozialen Exklusion beharrt allerdings darauf, dass sie „sozialstrukturell unspezifisch“ sei. Sie könnte also vereinfacht gesagt so gut wie jeden treffen, auch wenn natürlich bestimmte Bevölkerungssegmente objektiv gefährdeter seien. Unspezifisch bedeutet auch, dass die Exklusion nicht unbedingt ökonomische Gründe haben muss. Auch ein Migrationshintergrund kann dafür ursächlich sein oder das Gefühl, als älterer Mensch digital abgehängt zu sein. Aber es ist doch die wirtschaftliche Generalisierung der potentiellen Bedrohung durch die soziale Exklusion, die dem Phänomen seine Brisanz verleiht: Es sickert wie ein langsames Gift in die Gesellschaft, es verbreitet überall Zweifel und Verunsicherung. Wie andere Krisenphänomene, etwa das angebliche Schrumpfen der deutschen Mittelschicht, gehört die Exklusion längst zum Angstkomplex des Neoliberalismus. Ist also nicht längst die Spaltung der Gesellschaft zwischen den Inkludierten und den Exkludierten zu beklagen? Ist die soziale Exklusion die neue Hauptkonfliktlinie der Gesellschaft?
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