Erstmals Embryos erzeugt : Nashörner aus der Retorte
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Außerdem planen die Wissenschaftler, den letzten beiden verbleibenden nördlichen Nashorn-Damen Eizellen zu entnehmen, bevor diese ebenfalls sterben. Daraus wollen sie zu einem späteren Zeitpunkt Embryos mit dem Samen der letzten Nördlichen Breitmaulnashörner erzeugen. Weibchen der südlichen Art sollen dann lediglich als „Leihmütter“ dienen, um so die Spezies ihrer Verwandten zurückzuholen. Die Wiedergeburt einer verlorenen Art sozusagen.
So einfach, wie das klingt, ist das aber nicht. Der gesamte vorhandene Genpool besteht nämlich aus Spermien von nur drei Nördlichen Nashorn-Bullen und den Eizellen der beiden noch lebenden Weibchen. Für die Wiederherstellung einer ganzen Population reicht das nicht aus. Doch auch zur Lösung dieses genetischen Problems haben Hildebrandt und seine Mitarbeiter bereits Pläne geschmiedet: Die Gene der Nördlichen Breitmaulnashörner sollen mit Stammzelltechniken erhalten und vervielfältigt werden. Dazu hat man aus den frühen Hybrid-Embryonen Stammzellen gewonnen und kultiviert, die sich beliebig oft im Labor vermehren und erhalten lassen. Aus diesen Stammzellen sollen später Keimzellen – Spermien und Eizellen – erzeugt und so die Basis für eine Zucht der Nashörner gelegt werden. Damit allerdings aus den resultierenden Hybrid-Nashörnern wieder Nördliche Breitmaulnashörner werden, müssten sie durch Inzucht vermehrt und auf die Merkmale der ausgestorbenen Unterart hin selektiert werden – eine Methode, die Kommentatoren der Studie wegen der Gefahr der Inzuchtdepression und damit schwerwiegender Krankheiten oder Missbildungen kritisieren.
Die letzte Option wäre es deshalb, aus dem in Biobanken eingefrorenen Zellmaterial der letzten Nördlichen Breitmaulnashörner sogenannte induzierte, künstliche Stammzellen (iPS) in der Petrischale herzustellen, aus denen dann im Labor wiederum Samen- und Eizellen produziert werden können. Der Vorteil: Jede beliebige eingefrorene Nashornzelle kann zu solchen Stammzellen umprogrammiert werden. Allerdings wurde dieses Verfahren bisher nur bei Mäusen erfolgreich getestet – und ist demnach ebenfalls Zukunftsmusik.
In einem Kommentar zu der Berliner Studie nehmen zwei amerikanische Wildtierbiologen kritisch Stellung zu diesen Ergebnissen und Plänen der Berliner Forschergruppe: Künstliche Befruchtungsmethoden seien zwar eine große Chance für die Erhaltung der Artenvielfalt, aber ebenso ein erheblicher Eingriff in das natürliche Reproduktionsverhalten von Tieren. Vor allem kritisieren die Autoren das Vorhaben, die Nördlichen Breitmaulnashörner quasi zu klonen mit Hilfe der Stammzelltechnik. Klonen habe in bisher nahezu allen Tier-Versuchen zu Fehlgeburten oder frühzeitigem Tod der erzeugten Lebewesen geführt: „Beeindruckende Ergebnisse in der Petrischale führen nicht unbedingt zu gesundem Nachwuchs. Es ist unwahrscheinlich, dass die Population der Nördlichen Breitmaulnashörnern so wiederbelebt werden wird“, so das Resümee der Kommentatoren.