Mehr Quantität statt Qualität : Die Salami-Taktik der exzellenten Universitäten
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Noblesse oblige: Auch die Berliner Humboldt-Uni darf sich als exzellent bezeichnen. Bild: dpa
Die Förderung von Exzellenzuniversitäten hat mit einem klassischen Organisationsproblem zu kämpfen. Die Anreizstruktur der Initiative wird häufig so interpretiert, dass sie vor allem die Quantität des wissenschaftlichen Outputs prämiiert. Die Qualität bleibt auf der Strecke.
Die von Bund und Ländern im Jahr 2005 beschlossene „Exzellenzinitiative“, aktuell fortgeführt unter dem Namen „Exzellenzstrategie“, soll die Spitzenforschung in Deutschland fördern und ihre internationale Sichtbarkeit erhöhen. Umstritten war von Beginn an nicht nur die Diagnose, dass die Forschung in Deutschland Nachholbedarf in Sachen internationaler Sichtbarkeit hätte, sondern vor allem jener Teil des Programms, der sich auf die Auswahl und Förderung sogenannter „Exzellenzuniversitäten“ bezog. Die eher egalitäre deutsche Universitätslandschaft dem amerikanischen Vorbild anzunähern, hielten die einen für nicht umsetzbar, die anderen für falsch.
Im Unterschied zu den Exzellenzclustern, deren Förderung sich an den gängigen Kriterien der Projektförderung orientiert, kann die Auswahl der Exzellenzuniversitäten nicht allein nach fachwissenschaftlichen Kriterien der Originalität und Machbarkeit erfolgen. Gefördert wurden und werden stattdessen institutionelle „Zukunftskonzepte“. Zwischenzeitlich ist die damals antizipierte Zukunft zur Gegenwart geworden. Für einige Universitäten, die ihren Exzellenzstatus wieder verloren haben, ist sie auch schon wieder Vergangenheit. Wer über mehrere Runden erfolgreich war, musste Rechenschaft über das Erreichte ablegen – vor allem aber mit neuen Zukunftskonzepten überzeugen.
Je schöner es klingt, desto schwerer ist es zu evaluieren
Die Frage, ob die Initiative ihre Ziele erreicht hat, ist ebenso relevant wie schwierig zu beantworten. Kriterien wie „Förderung des deutschen Wissenschaftsstandorts“ und „internationale Sichtbarkeit“ sind schwer zu evaluieren. Die Zwischenbilanz einer internationalen Expertenkommission unter dem Vorsitz des Schweizer Physikprofessors Dieter Imboden fiel im Jahr 2016 gemischt aus, stellte die Fortsetzung des Programms allerdings nicht in Frage.
Eine nun veröffentlichte Untersuchung eines deutsch-italienischen Forschungsteams gibt genaueren Aufschluss über die Effekte des Fördermodells „Exzellenzuniversität“. Auf Grundlage umfangreicher Daten wurden die ersten beiden Runden der Exzellenzinitiative in Deutschland untersucht und mit den entsprechenden Entwicklungen in Italien verglichen. Eine alle vier Jahre stattfindende Forschungsevaluation („Valutazione Quadriennale della Ricerca“) verfolgt dort vergleichbare Ziele – allerdings allein durch die Umverteilung vorhandener Mittel statt durch zusätzliche Förderung.
Erstklassige Quantität
Die Studie fragt nicht nur, ob die Exzellenzuniversitäten von der Förderung profitieren, sondern auch nach den Auswirkungen auf andere Universitäten. Einerseits ist ein Vorbildeffekt denkbar, wenn die Kriterien wissenschaftlicher Exzellenz auf breiter Basis übernommen werden. Andererseits könnte es auch zu unerwünschten Effekten kommen, zum Beispiel wenn nicht erfolgreiche Universitäten noch weiter zurückfallen. Untersucht wurden drei Erfolgskriterien: die Effizienz des Mitteleinsatzes sowie Quantität und Qualität des Forschungs-Outputs. „Effizienz“ heißt, dass zusätzliche Mittel die Zahl der Studienabschlüsse, Zitationen und Patente erhöhen – eine zweifellos grobe Operationalisierung, die aber immerhin die Bereiche Studium, Forschung und Außenwirkung erfasst. Die Forschungsquantität wurde anhand der Zahl der Publikationen pro Professur gemessen, die Qualität anhand der Zitationen pro Publikation.
Es zeigt sich, dass die italienischen Spitzenuniversitäten in allen drei Bereichen besser abschnitten als die „normalen“ Universitäten. In Deutschland galt dies hingegen für die Effizienz und die Forschungsquantität, nicht jedoch für deren Qualität. Die Zahl der Publikationen pro Professur ist an allen deutschen Universitäten gestiegen, an Nicht-Exzellenzuniversitäten sogar stärker als an Exzellenzuniversitäten. Doch im gleichen Zeitraum sank die durchschnittliche Zahl der Zitationen pro Veröffentlichung – und zwar besonders stark in der Gruppe der Exzellenzuniversitäten.
Die Konjunktur der „Least publishable unit“
Dieses aus Sicht der Förderinstitutionen unerwünschte Ergebnis ist eine Folge der Anreizstruktur der Exzellenzinitiative: Diese wird offensichtlich so interpretiert, dass sie die Steigerung des Outputs prämiiert. Der einfachste Weg, die Zahl der Publikationen zu steigern, ist jedoch die „Salami-Taktik“: Ein Thema oder Forschungsprojekt wird in mehr Publikationen zerlegt, die zudem schneller veröffentlicht werden, mit der Folge, dass sich die Zahl der Einsichten oder Überraschungen pro Publikation verringert.
Die Exzellenzstrategie hat also mit einem klassischen Organisationsproblem zu kämpfen: dem vom Soziologen Robert K. Merton beschriebenen Phänomen des „goal displacement“. Haben sich bestimmte Mittel als brauchbar zur Erreichung eines Zwecks erwiesen, werden die Instrumente zum Selbstzweck, und man vergisst, wozu sie eigentlich gedacht waren. Und so veröffentlichen Wissenschaftler, die man für die Zahl ihrer Publikationen belohnt, immer mehr und immer schneller – unabhängig davon, ob sie mehr mitzuteilen haben.
Civera, Alice; Lehmann, Erik E.; Paleari, Stefano; Stockinger, Sarah A.E. (2020): Higher education policy. Why hope for quality when rewarding quantity? In: Research Policy 49 (8), DOI: 10.1016/j.respol.2020.104083.