Attributionsforschung : Wir haben die Kausalkette zum Klimawandel geschlossen
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Sie sind nicht nur Physikerin, sondern auch Geisteswissenschaftlerin. Aus Ihrer Sicht als Philosophin: Haben wir mittlerweile die richtige Art gefunden, über den Klimawandel zu sprechen, ihn begreifbar zu machen?
Wenn wir sie gefunden hätten, würden wir wahrscheinlich mehr für den Klimaschutz tun. Also: nein, haben wir nicht.
Wenn Sie selbst über Klima und Extremwetter sprechen, wie tun Sie das?
Gerade bei Extremwetter bietet es sich an, damit anzufangen, welche Folgen daraus entstehen. Nehmen wir Hitzewellen: Das sind mit Abstand die tödlichsten Wetterereignisse in Europa. Jedes Jahr sterben dabei Tausende von Menschen. Das könnte man leicht verhindern. Aber wir tun es nicht. Es interessiert uns nicht. Genauso wenig wie die vielen Millionen Menschen, die wegen der Luftverschmutzung in Städten versterben. Dadurch aber, dass Extremwetterereignisse sehr stark an menschliche Schicksale geknüpft sind, kann man sehr gut deutlich machen, was Klimawandel bedeutet. Dass es sich dabei eben nicht um etwas rein Abstraktes handelt, das nur anhand der globalen Mitteltemperatur gemessen wird – die ja faktisch niemand erlebt – , und dass es nichts ist, das woanders und in der Zukunft stattfindet, sondern eben hier und heute. Und dass uns dieser Klimawandel daher direkt betrifft. Deswegen ist die Attributionsforschung eben auch wichtig, weil sie konkrete Erlebnisse mit der Theorie von Klimawandel zusammenbringt. Das allein reicht aber nicht, um tatsächlich Politik zu verändern. Zumindest nicht schnell genug. Sie ist aber ein wichtiger Baustein, den wir Menschen offenbar brauchen, um eine Brücke zwischen dem direkt Erlebten und dem theoretischen Klimawandel zu bauen. Und ganz wichtig: Während die meisten Veränderungen im Klimasystem linear mit der Mitteltemperatur eintreten, sind es die Schäden nicht. Die sind extrem nicht linear. Darum haben auch kleine Änderungen teilweise katastrophale Auswirkungen.
Der IPCC sagt ja mit Blick auf die globale Erwärmung erstmals buchstäblich: Der Mensch war’s. Nun schafft die Attributionsforschung auch noch die konkrete Zuordnung zu extremen Wetterereignissen. Ist die Beweisführung damit abgeschlossen?
Die Attributionsforschung war im Grunde das fehlende Puzzlestück. Sie hat tatsächlich die Lücke in der Kausalkette von Emissionen bis hin zu konkreten Schäden geschlossen.
Das heißt, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse jetzt noch übersetzt werden müssen in gesellschaftliche Zusammenhänge?
Genau. Der Haken an der Sache ist: Klimawandel ist ein Gerechtigkeitsproblem. Und wir sind weder politisch noch gesellschaftlich gut darin, solche Probleme zu lösen. Es ist doch so, dass in den allermeisten Fällen diejenigen die Schäden und Verluste erleiden, die keine Lobby haben. Das sind Menschen mit kaum finanziellen Ressourcen, die zudem wenig Informationen haben und in schlecht isolierten Häusern wohnen und die sich teure Versicherungen nicht leisten können. Wenn ich wüsste, wie man das ändern kann, würde ich Politik machen. Wo aber Beweisketten helfen, das haben wir in diesem Jahr auch in Deutschland erlebt, ist vor Gericht.
Sie meinen den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts?
Ja, das war wegweisend und hat gezeigt, wie es auch außerhalb des politischen Betriebes möglich ist, Klimaschutz zu beschleunigen. Die Legislative hat mit Blick auf die verpflichtende Einhaltung der Paris-Ziele ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Mit Blick auf die internationale Klimadiplomatie: Welche Evidenzen muss die Klimaforschung noch liefern, damit die Weltgesellschaft den Schutz des Klimas konsequenter vorantreibt?