
Der lauteste Knall
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Die Eruption des Hunga-Tonga-Hunga-Ha’apai am 15. Januar 2022, aufgenommen von einem geostationären Wettersatelliten der amerikanischen Atmosphärenforschungsorganisation NOAA. Bild: AFP
Geowissenschaftler haben die Druckwelle der Eruption des „Hunga“-Vulkans am 15. Januar dieses Jahres im Tonga-Archipel analysiert. Demnach ist sie etwa so stark gewesen wie die verheerende Detonation des Krakatau im Jahr 1883.
Hunga Tonga und Hunga Ha'apai waren zwei unbewohnte Eilande im Inselkönigreich Tonga, 65 Kilometer nördlich der Hauptinsel Tongatapu im südwestlichen Pazifik. Zwischen den beiden jeweils etwa zwei Kilometern großen Inselchen wuchs in den Jahren 2009 und 2014 sowie 2015 ein Untersee-Vulkan aus dem Meer empor und verband sie zu einer gemeinsamen Landfläche. Am Nachmittag des 15. Januar 2022, gegen 17 Uhr Ortszeit, verschwand dieser manchmal einfach nur „Hunga“ genannte Vulkan plötzlich wieder. Er zerplatzte in einer gewaltigen Explosion. Die Aschewolke stieg atompilzartig 30 Kilometer in die Stratosphäre, im Zentralbereich sogar noch höher, und war auch – und aufgrund der spätnachmittäglichen Beleuchtung sogar besonders gut – aus dem Weltraum zu sehen. Die spektakulären Satelliten-Aufnahmen waren anderntags rund um den Erdball der Hingucker in den Abendnachrichten.
Der Ausbruch verheerte nicht nur etliche bewohnte Inseln des Königreiches, tötete drei Bewohner und beschädigte das Tiefseekabel, das Tonga mit der Außenwelt verbindet. Es schickte auch einen Tsunami über den Pazifik, der chilenischen Presseberichten zufolge in Peru ebenfalls zwei Opfer forderte. Zugleich zeigten amerikanische Fernsehmeteorologen, wie eine an den Luftdruckdaten der Wetterstationen ablesbare Front von West nach Ost über die Vereinigten Staaten wanderte, und es wurde berichtet, der Knall der Detonation sei noch in Neuseeland und Alaska zu hören gewesen. Vermutungen machten die Runde, die Stärke der Schallwelle könnte jener der Eruption des Krakatau im Jahr 1883 nahegekommen sein. Dieser Ausbruch zwischen den indonesischen Inseln Sumatra und Java war allerdings eine ungleich größere Katastrophe gewesen – mehr als 36.000 Menschen verloren damals ihr Leben – und die erste derartige Naturkatastrophe, von der die telegraphisch bereits globalisierte Welt unmittelbare Kenntnis erhielt. Der mutmaßlich lauteste Knall, den Menschen je zu hören bekommen hatten, war auch ein Medienereignis.
Ein geophysikalischer Subwoofer
Nun hat eine internationale Kollaboration in einem Beitrag der Zeitschrift „Science“ alle verfügbaren akustischen Messdaten der Eruption im Tonga-Archipel gesammelt. Die akustischen Signale beschränkten sich bei weitem nicht auf den für Menschen hörbaren Schall. Dessen Frequenzbereich beginnt bei etwa 20 Hertz – spielt der Organist einer sehr großen Kirchenorgel seinen tiefsten Ton, das Subkontra-C, dann schwingt die Luft mit etwas über 16 Herz und beschert dem Zuhörer damit weniger eine akustische Erfahrung als ein Gefühl in der Bauchgegend. Tatsächlich war der große Knall von Tonga besonders prominent im Bereich der sogenannten Lamb-Wellen mit Frequenzen unterhalb von 0,01 Hertz.
Diese Wellen sind eine Kombination aus zwei Effekten. Einmal sind es periodische Verdichtungen der Luft, genau wie hörbare Schallwellen. Darüber hinaus sind geophysikalische Lamb-Wellen aber auch sogenannte Schwerewellen. Diese im Englischen „gravity waves“ genannten Schwingungen sind nicht zu verwechseln mit Gravitationswellen (gravitational waves), bei denen keine Materie im Raum schwingt, sondern die Raumzeit selbst. Atmosphärische Schwerewellen kann man sich analog zu den vertrauten Wasserwellen vorstellen. Wie diese breiten sich geophysikalische Lamb-Wellen entlang der Erdoberfläche aus und sind bekannte Begleiterscheinungen der stärksten Detonationen, sowohl vulkanischer als auch solcher, die bei Kernwaffentest gemessen wurden.