Singende Dünen : Die Korngröße gibt den Ton an
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Sanddünen in der Nähe der marokkanischen Ortschaft Tarfaya Bild: Simon Dagois-Bohy
Aus Sanddünen erklingen bisweilen seltsame Töne, die an Trompeten und Geigen erinnern. Jetzt glauben Forscher, das Geheimnis endlich gelüftet zu haben.
Sanddünen können Wüstenbesucher bisweilen einen Schrecken einjagen, wenn es aus ihnen plötzlich mit großer Lautstärke brummt. Schon Marco Polo soll auf seinen Reisen durch die Wüste Gobi dieses Wüstensummen vernommen haben. Mittlerweile wurden solche singenden Sanddünen in vielen ariden Gebieten und in einigen Dünenfeldern an Meeresküsten entdeckt. Allerdings gibt längst nicht jede Düne Töne von sich, andere wiederum summen gleich in mehreren Tonlagen. Über die Ursachen der seltsamen Dünenklänge ist bisher nur wenig bekannt. Eine französische Forschergruppe hat nun mit Schallmessungen an Dünen und in Laborversuchen diesem Phänomen weitere Geheimnisse entlockt.
Fast immer ist die Entstehung der tiefen Brummtöne, die zum Teil Dutzende Kilometer weit hörbar sind, mit Sandlawinen verbunden, die an den Hängen einer Düne abrutschen. Obwohl solche Lawinen beispielsweise durch den Wind an allen Dünen ausgelöst werden, „singt“ nur ein kleiner Teil der mächtigen Sandhaufen. Manche Dünen, beispielsweise jene an der marokkanischen Atlantikküste in der Nähe der Ortschaft Tarfaya, geben monofrequente, saubere Töne ab. Andere Dünen singen dagegen vielstimmig, wobei die Tonfrequenzen selten zweihundert Hertz überschreiten.
Symphonisch oder kakophonisch
Die Forschergruppe um Simon Dagois-Bohy von der Université Paris Diderot hat nun die Dünen in der Nähe von Tarfaya mit einer mehrstimmigen Düne im Oman verglichen. Während die Forscher auf den Dünen in Marokko ausschließlich Töne mit einer Frequenz um 105 Hertz maßen, sangen die Dünen im Oman im Frequenzbereich zwischen 90 und 150 Hertz. Wie Dagois-Bohy und seine Kollegen in den „Geophysical Research Letters“ (doi: 10.1029/ 2012GL052540) berichten, bestehen die marokkanischen Dünen durchweg aus Sand mit einer gleichmäßigen Korngröße von etwa 150 bis 170 Mikrometern. Im Oman dagegen variieren die Korngrößen zwischen 150 und 320 Mikrometer.
Erhellende Analyse im Labor
Die Forscher brachten anschließend von beiden Dünenfeldern jeweils mehrere hundert Kilogramm Sand zurück in ihr Pariser Labor. In einer eigens angefertigten Rutsche ließen sie zunächst den marokkanischen Sand eine schräge Ebene hinabgleiten. Auch hier erzeugte die Sandlawine Töne von etwa 105 Hertz. Der omanische Sand gab dagegen, wie erwartet, ein vielstimmiges Konzert. Dann siebten die Wissenschaftler den Sand aus dem Oman und sortierte ihn nach Korngrößen. Als die sortierten Sande nacheinander auf die Rutsche geschickt wurden, brummte es bei beiden Proben einstimmig aus der Lawine. Es stellte sich heraus, dass die jeweilige Tonhöhe von der Korngröße abhing. Je kleiner die Sandpartikeln waren, desto höher klagen auch die Töne.
Nach Meinung von Dagois-Bohy und seinen Kollegen entstehen die Töne durch Resonanzeffekte, wenn der Sand entlang der Dünenflanken hinabgleitet. Abhängig von der Korngröße, beginnen die rutschenden Sandpartikeln zu vibrieren. Wie sich diese einzelnen unhörbaren Schwingungen aber zu dem lauten Resonanzbrummen aufschaukeln können, ist nach wie vor rätselhaft.