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Winterlicher Klimawandel : Zu viel Schnee? Der ganz normale Wahnsinn!

Gesperrte Straße in Vordernberg in Österreich Bild: AFP

Mit dem Klimawandel gibt es global immer weniger Schnee. Aber wieso dann das Schneechaos, das sich derzeit in den hohen Lagen an der Alpenvorderseite abspielt? Das ist so „normal“ wie die Schneemassen in der Antarktis.

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          Der Meteorologe sagt zum aktuellen Wetter: Ganz klar, feuchte Strömungen aus dem Nordatlantik, die bringen seit Tagen feuchte Luft zu uns nach Mitteleuropa. An der Alpenvorderseite staut sich die Feuchtigkeit und regnet ab – hoch oben als Schnee. So weit, so normal. Er sagt aber auch dazu: Eigentlich sind die Luftmassen für den Januar viel zu warm – weswegen in den Bergen nasser, schwerer Schnee fällt und in den Tälern kaum etwas von den weißen Massen zu sehen ist. Beides sind Aussagen zum aktuellen Wetter im Süden Deutschlands, in beiden steckt aber auch eine Verbindung zum globalen Klimawandel: Denn mehr Feuchtigkeit und ungewöhnlich lang anhaltende Wetterlagen, wie sie inzwischen immer öfter vorkommen und nun eben meterdicke Schneelagen produzieren, sind inzwischen als Fingerabdruck der Erderwärmung überführt: Ursache dafür ist die extreme Erwärmung des hohen Nordens und die Aufheizung der Ozeane.

          Joachim Müller-Jung
          Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Die Arktis, ein wichtiger Teil von Europas Wetterküche, erwärmt sich seit Jahrzehnten sehr viel schneller als die südlicheren Regionen. Die Folge: Der Temperaturunterschied zwischen Nord und Süd nimmt immer stärker ab, die Luftströmungen werden regelrecht blockiert, die Höhenwinde verharren und die Bedingungen ändern sich über Wochen nicht. Der Klimawandel produziert also nicht nur lange Hitzewellen über den Kontinenten wie im Sommer, er kann auch, weil mehr Hitze auch mehr Feuchtigkeit in der Luft bedeutet, große Regenmengen oder Schneemassen wie aktuell hervorbringen – zumindest da, wo es dann kalt genug ist im Winter. 

          So hängen Klima und Wetter eben doch auch im Schneechaos  zusammen. Tatsächlich lässt sich im Schnee inzwischen nicht nur sehr viel über die Konsequenzen der beschleunigten Erderwärmung erfahren, der Schnee ist auch ein ganz entscheidender Faktor, wenn es um die Frage geht, wie schnell sich künftig unsere Landschaften und Lebensräume verändern werden. Er ist in der Klimakrise sogar eine Art Lebensversicherung, das weiße Kapital des Planeten.

          Das weiße Kapital des Planeten

          Unter den natürlichen Materialien auf der Erde ist der Schnee gewiss das schillerndste: mal gehasst, wo wie jetzt zu schnell zu viel davon fällt, mal geliebt, wo genau dieser Umstand den winterlichen Zauber heraufbeschwört. Unstrittig ist: Schnee ist nicht einfach gefrorenes Wasser, das vom Himmel fällt. Schnee kann vielmehr den Planeten von einem Augenblick auf den nächsten verändern. Nichts reflektiert Sonnenlicht stärker, kein Naturmaterial isoliert flächendeckend besser den Boden als eine dicke Schicht Schnee. Und weil Schnee von den Polen äquatorwärts über weite Teile des Planeten zumindest zeitweise vorkommt, vermutet man schon lange auch einen möglicherweise weltumspannenden Einfluss auf das Weltklima, auf das Wetter und auf die Wasser- und Energieströme.

          Bäume in der tief verschneiten Landschaft von Kaufbeuren.
          Bäume in der tief verschneiten Landschaft von Kaufbeuren. : Bild: dpa

          Insofern kann die Entwicklung der vergangenen Jahre durchaus beunruhigende Fragen aufwerfen. Es fällt nämlich vielfach dort, wo Schnee besonders gebraucht wird, wegen der globalen Erwärmung immer weniger Schnee. Abgesehen von den touristisch-ökonomischen und psychologisch-ästhetischen Argumenten, stellt sich also die Frage: Ist der Planet Erde und damit auch unsere Zivilisation wirklich so dringend auf eine ausreichende Menge Schnee auf der Oberfläche angewiesen? Ist der Schnee systemrelevant, wie es heute gerne heißt? Tatsächlich lässt sich diese Frage so pauschal nicht beantworten. Viel genauer müsste man fragen: Kann eine Veränderung der Schneemengen und eine Verschiebung der Schneeregionen die Stabilität der Naturprozesse tatsächlich so empfindlich stören, dass der durch den Treibhauseffekt eingeleitete globale Wandel beschleunigt – oder womöglich anderweitig beeinflusst – wird?

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