Langfristige Wettervorhersagen : Wie der Winter wird, weiß kein Mensch.
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Schnee im Advent? Auch das neuste meteorologische Computermodell weiß das nicht wirklich. Bild: dpa
Trotzdem hat der Deutsche Wetterdienst jetzt ein Modell für Jahreszeitenprognosen veröffentlicht. Über das notorische Problem meteorologischer Langzeitprognosen.
Es ist schon erstaunlich, dass bislang noch niemand vor einem Jahrhundertwinter gewarnt hat. Düstere Prognosen sind Mitte Oktober eigentlich überfällig, vor allem in Jahren wie diesen, in denen der Herbst sommerlich begann und dann jäh abstürzte. Einmal war es eine absichtsvoll missverstandene Aussage eines polnischen Klimaforschers, der angeblich vor einem Eiswinter warnte, dann ein mysteriöser Bienenforscher, der derlei Schlagzeilen auslöste. Im vergangenen Jahr stützten sich solche Jahreszeitenprognosen schließlich auf einen Naturbeobachter aus Oberbayern, dem der Bayerische Rundfunk gleich ein ganzes Filmteam vorbeischickte, um seine früh verblühte Königskerze aufzunehmen. Die wiederum sollte auf einen Jahrtausendwinter deuten. Funktioniert hat die Prognose am Ende natürlich nicht. Aber gegen ein bisschen Angstlust auf Eiseskälte haben auch seriöse Medien in der Regel nichts einzuwenden.
In diesem Jahr blieb es noch vergleichsweise ruhig am Prophetenhimmel. Und vielleicht ist das ein Zeichen der Vernunft. Denn weder Mensch noch Tier noch Pflanze wissen, wie der kommende Winter wird. Da sind sich die meisten Wissenschaftler einig.
Wann es wie kalt wird, wüssten viele gerne
Oder etwa nicht? Am vergangenen Donnerstag hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) das erste deutsche Modell zur Jahreszeitenvorhersage vorgestellt. Das sogenannte German Climate Forecast System soll Prognosen über Monate ermöglichen, hieß es vor der Pressekonferenz in Berlin. Zusammen mit dem Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und dem Centrum für Erdsystemforschung wurde sieben Jahre lang an diesem Computermodell gearbeitet. „Jetzt kann der DWD einmal im Monat Jahreszeitenprognosen berechnen“, verkündete der Wetterdienst stolz. Er reagiere damit auf den gestiegenen Bedarf an mittelfristigen Vorhersagen. Schließlich wollen Bauern, Kommunen und Energieversorger frühzeitig wissen, ob sie sich auf einen kalten Winter vorbereiten sollen.
Das Ergebnis war allerdings eine Farce. Zwar hat das Modell für den ganzen Globus eine Winterprognose errechnet. Aber nur in sehr wenigen Regionen der Erde taugt sie etwas. Einigermaßen sichere Trends lassen sich lediglich für Teile Brasiliens sowie für ein paar Streifen in den Weltmeeren vorhersagen. Für den Rest der Weltkarte ist das Modell blind. Ob Europa, Amerika, Afrika oder Asien - es ist kein Trend voraussehbar, teilte die Hamburger Ozeanographin Johanna Baehr bei der Pressekonferenz mit. Gekicher bei den Wissenschaftlern, große Augen bei den Journalisten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognose in solchen Gebieten beträgt weniger als 55 Prozent. Unterhalb dieser Grenze könnte man genauso gut würfeln oder in die Glaskugel schauen.
Langzeit schon. Aber Vorhersage?
Einzig die Vorhersage des Wetterphänomens El Niño funktioniert mittlerweile präzise, wie die Analyse des vergangenen Winters gezeigt hat. Diese Anomalie hat ihren Ausgangspunkt im tropischen Pazifik und bringt alle paar Jahre weltweit das Wetter durcheinander. Doch ansonsten sind die Meteorologen von Langzeitvorhersagen derzeit noch so weit entfernt wie der November von der Saharahitze. „Wir werden in absehbarer Zeit nicht als Entscheidungshilfe für Urlaube dienen können“, sagt Johanna Baehr. Ob sie das jemals können, ist mehr als fraglich.