Eiszeit um 1430 : Auch im Mittelalter spielte das Klima verrückt
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Ein Gemälde von Hendrick Avercamp aus dem 17. Jahrhundert zeigt das Ausmaß einer kleinen Eiszeit. 200 Jahre vorher gab es ein noch kälteres Jahrzehnt. Bild: ddp Images
In den vergangenen Jahrhunderten wurde Europa immer wieder von kalten Klimaperioden heimgesucht. Forscher der Universität Bern haben nun eine besonders frostige Eiszeit im Spätmittelalter entdeckt.
Als Kleine Eiszeit wird üblicherweise der Zeitraum zwischen 1600 und etwa 1750 beschrieben. In dieser Zeit lag die Jahresmitteltemperatur in Zentraleuropa bis zu zwei Grad unter dem langfristigen Durchschnitt. Die Winter waren damals extrem kalt, und in den kühlen Sommern fielen die meisten Ernten gering aus. Diese Kälteperiode war von weitreichenden sozialen Folgen begleitet. Unter anderem wird die Dauer des Dreißigjährigen Krieges auf die mit den schlechten Ernten zusammenhängenden gesellschaftlichen Umwälzungen in Verbindung gebracht.
Als Ursache für die Klimaveränderung gilt die deutlich verringerte Sonneneinstrahlung während des sogenannten Maunder-Minimums. Eine internationale Forschergruppe um Chantal Camenisch von der Universität Bern hat nun in verschiedenen Klimaarchiven eine noch kältere Periode entdeckt. Danach könnte die kurze Zeitspanne zwischen 1430 und 1440 die kälteste Periode in Mitteleuropa in den vergangenen tausend Jahren gewesen sein.
Verräterische Klimaarchive
Dieses äußerst kalte Jahrzehnt fällt in das sogenannte Spörer-Minimum, einen fast das ganze 15. Jahrhundert andauernden Zeitraum, in dem aufgrund natürlicher Schwankungen in der Sonne die Einstrahlung auf die Erde geringer war als üblich - ganz ähnlich wie 200 Jahre später. Bisher waren Klimaforscher allerdings der Meinung, dass die Temperaturen im Maunder-Minimum des 17. und 18. Jahrhunderts deutlich geringer ausgefallen waren als während des ausgehenden Mittelalters. Umso überraschender sind die nun in der von der Europäischen Union für Geowissenschaften herausgegebenen Zeitschrift „Climate of the Past“ veröffentlichten Befunde von Camenisch und ihren Kollegen.
Für ihre Untersuchungen hat die Forschergruppe, zu der auch Wissenschaftler von den Universitäten Heidelberg, Mainz und Gießen gehören, auf 16 verschiedene Archive zurückgegriffen, die Informationen über das Klima vor 600 Jahren enthalten. Darunter befanden sich Bohrkerne aus dem Eis in Grönland und in verschiedenen europäischen Gletschern, Kerne aus den Sedimenten von Binnenseen sowie Baumringe und Kalziumablagerungen in Tropfsteinhöhlen. Zusätzlich werteten die Forscher um Camenisch Dutzende historische Aufzeichnungen über das Wetter der damaligen Zeit aus.
Natürliche Klimaschwankungen als Grund?
Es hat sich herausgestellt, dass in den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts die Winter in Mitteleuropa, vor allem aber in den heutigen Beneluxländern, in Nordfrankreich und in Deutschland extrem kalt waren. Zusammen mit den verregneten Sommern führte das zu Missernten und Hungersnöten. Unter der unterernährten Bevölkerung brachen Seuchen aus, die zusätzliche Opfer forderten.
Mit verschiedenen Modellrechnungen haben Camenisch und ihre Kollegen versucht, den Ursachen dieser außergewöhnlichen Kälteperiode auf die Spur zu kommen. Dieses Klimaextrem könne, so heißt es in der Veröffentlichung, nicht auf äußere Einflüsse wie starke Vulkanausbrüche zurückgeführt werden. Auch die verringerte Sonneneinstrahlung während des Spörer-Minimums reiche nicht aus, die nur kurz dauernde Kaltzeit zu erklären. Solare Minima wirkten sich nämlich nur längerfristig aus und sind nicht in der Lage, ein einziges, extrem kaltes Jahrzehnt zu bewirken. Deshalb kämen, so die Meinung der Wissenschaftler, nur interne, natürliche Schwankungen des Klimasystems als Erklärung in Frage. Sollte sich die Schlussfolgerung bestätigen, dann wäre das Erdklima auch auf kurzen Zeitskalen viel veränderlicher als bisher angenommen.