Vor dem Klimagipfel : Afrika fordert blühende Landschaften
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Realität heute: 260 Millionen Afrikaner leiden an Hunger, weiteren 300 Millionen fehlen lebenswichtige Nahrungsbestandteile. Bild: obs
Klimaschutz-Milliarden für eine grüne Revolution: Der nächste Klimagipfel soll Afrika gehören. 27 Staaten verbünden sich und sehen ihre Bauern schon mit Drohnen und Smartphones über „intensivökologische“ Felder streifen.
Afrika will nicht länger als der Verlierer des globalen Klimawandels und erst recht nicht der internationalen Klimapolitik dastehen. Auf dem nächsten UN-Klimagipfel Cop22 in wenigen Wochen werde man massive finanzielle Ansprüche anmelden, das machten die 27 Regierungen afrikanischer Staaten auf dem heutigen Treffen der AAA-Initiative (Adaptation of African Agriculture) deutlich – eine Art afrikanischer Vorklimagipfel, zu dem Marokkos Regierung, Ausrichter des nächsten Klimagipfels, nach Marrakesch eingeladen hatte. Die AAA-Initiative wurde im April diesen Jahres auf Initiative Marokkos und der Elfenbeinküste gegründet. Sie soll, so der marokkanische Agrarminister Aziz Akhannouch, „sicherstellen, dass ein großer Teil des Geldes nach Afrika fließt und nicht von anderen Ländern nur für regenerative Energien und Energie-Effizienzprojekte verwendet wird“. Dabei geht es um die jährlich 100 Milliarden Dollar aus dem grünen Klimafonds, die im Zuge der Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen ausgehandelt und den Entwicklungsländern vom Jahr 2020 an zugesagt wurden.
Afrika soll, so die Ankündigung der AAA-Initiative, der Kontinent der nächsten grünen Revolution werden. Und Afrika will sich das Geld dafür eben aus den Milliarden-Beihilfen für den Klimaschutz holen. Auf den historischen Pariser Vertragsschluss vor einem Jahr soll nun ein „Gipfel für Afrika“ folgen, das forderten 27 afrikanische Regierungen. „Die nachhaltige Entwicklung und vornweg die Landwirtschaft Afrikas wird auf dem nächsten Klimagipfel höchste Priorität haben“, betonte auch Marokkos Außenminister und Präsident der Cop22-Klimakonferenz, Salaheddine Mezouar.
Die Klimaveränderungen, die den für Hitze und Verwüstung besonders ohnehin schon anfälligen Kontinent bereits heute jährlich anderthalb Prozent des Bruttoinlandprodukts kosten und zwei Drittel der Kleinbauern beeinträchtigen, dürften den schwarzen Kontinent besonders hart treffen. Zahlen des Weltklimarates besagen, dass die Temperaturen und damit indirekt die Gefahr von Extremwetterlagen um das Anderthalbfachen des globalen Durchschnitts wächst. In einem Weißbuch der Initiative, das von einem international hochrangig besetzten Wissenschaftlerbeirat für die AAA-Initiative zusammengestellt wurde, heißt es: Die Getreideerträge könnten schon bis zum Jahr 2050, wenn sich die Bevölkerung auf zwei Milliarden Menschen verdoppelt haben wird, selbst im Falle des klimapolitischen Erfolgs und moderaten Temperaturerhöhungen um zwanzig Prozent sinken. Afrika hungert.
Obwohl schon heute mehr als 600 Millionen Menschen und damit 70 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben und – global gesehen - 60 Prozent des nutzbaren Agrarbodens in Afrika liegt, kann sich der Kontinent immer noch nicht selbst ernähren. Der Grund: Verarmte Bauern, schlechte, ineffiziente Landbewirtschaftung, ausgelaugte Böden, miserable Wasserversorgung. Die Afrikaner streben eine Hightech- und Datenrevolution für die Landwirtschaft an, und sparen nicht an kühnen Visionen: Ziele wie „klimaintelligente Agrartechnik“, „Agrar-Ökologie“ oder „Öko-Intensivierung“ der Landwirtschaft machten auf dem AAA-Treffen die Runde. Die Instrumente dafür: Drohnen und Smartphones zur Bodendiagnose, Präzisionsdüngung mit Satellitenhilfe, Cloud-Datennutzung, Mechatronik, Bio-Nanotechnik. Bis zum Jahr 2030 könnte sich die Produktion von heute 280 Milliarden Dollar auf 880 Milliarden Dollar verdreifachen.
Unterstützt werden die Initiatoren dabei nicht nur von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und überstaatlichen Institutionen wie Weltbank, Entwicklungsbanken und der Welternährungsbehörde, auch Frankreichs Regierung macht sich für Afrikas Agrarrevolution stark, wie Agrarminister Stéphane de Foll deutlich machte. Die moralische Begründung für die afrikanische Agraroffensive in den Klimaverhandlungen formulierte der marokkanische Initiator, Minister Akhannouch: „Afrika ist nur vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, aber der Klimawandel trifft sie besonders hart.“ Sechs von zehn der von der Klimaerwärmung am meisten betroffenen Länder liegt auf dem afrikanischen Kontinent.